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Lille

Die Weihnachtskatze

Im Dezember 2003 hatten mein Freund Michael und ich beschlossen, dem ganzen Weihnachtstrubel zu entfliehen und uns stattdessen über die Feiertage eine Reise nach Dänemark zu schenken. Also mieteten wir uns ein kleines, schnuckeliges Häuschen mit Kaminofen und Sauna in Hvide Sande am Rinköbing Fjord.

Als wir ankamen und dabei waren, unsere Sachen in das Haus zu tragen, bemerkte ich eine kleine getigerte Katze neben der Mülltonne am Eingang. Sie bewegte sich nicht und blinzelte in den Wind.

„Ach schau mal“, witzelte ich „Wir haben scheinbar ein Haus mit Begrüßungskatze ge- mietet“

Michi kam mit meinem Koffer angerumpelt.
„Tatsächlich“ sagte er „Na ja, hier in der Gegend gibt es ja viele Streunerkatzen“

(Damit hat er leider Recht)

„Die ist wahrscheinlich neugierig und geht gleich in irgendeine Scheune oder ihr Versteck in den Dünen.“

Dabei beließ ich es zunächst und fing an, die Koffer auszupacken und mich häuslich einzurichten.

Als wir zwei Stunden später einkaufen wollten und ins Auto stiegen, huschte plötzlich die Katze unter dem Auto hervor, drehte sich noch einmal zu uns um und verschwand hinter dem Haus.

„Huch!“ erschrak Michi „Wo kommt die denn plötzlich her?“

„Ich glaube, die hat unter dem Auto Schutz vor dem Wind gesucht“ antwortete ich.
„Außerdem hat der Motor ja noch Wärme abgegeben. Aber komisch ist es schon, dass sie so scheinbar kein eigenes, halbwegs sicheres Versteck zu haben scheint.“

Michi rollte nur mit den Augen „Die wird schon zurecht kommen.“

Aber ich hatte ein komisches Gefühl.

Spätabends (wir waren schon längst wieder zurück und gerade beim Fernsehen) ging ich nochmal hinaus. Es war sehr kalt und sehr windig.

Ich schaute vorsichtig unter das Auto und tatsächlich: im Terrassenlicht konnte ich die Umrisse der kleinen Katze erkennen, die wieder Schutz und Wärme suchte.

„Michi, das stimmt etwas nicht! Die Katze weiß nicht, wohin, und scheint keinen Rück- zugsort zu haben!“

„ Und was willst du jetzt machen?“ fragte Michi. „Du kannst doch nicht jedes Tier auf der Welt retten.“

Da hatte er leider wieder Recht, aber trotzdem musste ich irgendetwas tun.

Am nächsten Tag wollten wir Lebensmittel und einen Tannenbaum für die Feiertage be- sorgen.

Also präparierte ich eine Holzkiste, die normalerweise für das Feuerholz neben dem Ofen stand, mit Zeitung und einer dicken Wolljacke von mir und stellte sie in die Düne neben dem Haus, damit die Katze eine Alternative zu unserem Auto hatte, sollte sie Schutz während unserer Abwesenheit suchen.

In Hvide Sande fragten wir den Wirt unseres Stammimbiss‘ nach einem Tierheim oder einer Tierrettungsorganisation, die sich vielleicht der hilflosen Katze annehmen könne.
Er gab uns daraufhin die Adresse vom Jägerverband.

DAS kam weder für mich, noch für Michael in Frage!

Stattdessen kaufte ich ein paar Dosen Katzenfutter und so begann mein Ritual:

Das Katzenfutter etwas anwärmen und etwas Öl dazugeben (damit es in der Kälte nicht sofort einfriert), um jeden Morgen und jeden Abend die kleine Katze unter dem Auto hervorzulocken.

Michael war von dem Duft des warmen Katzenfutters im Ferienhaus zwar weniger be- geistert, aber so langsam begann auch er immer mehr, sich für die Katze zu interessieren.

Natürlich lockte mein Futter noch weitere Katzen an, die verschwanden nach dem Essen jedoch immer wieder in den Dünen, während „unsere“ Katze immer in der Nähe des Hauses blieb, als wüsste sie nicht, wohin.

Am erste Weihnachtsfeiertag (mein Geburtstag) war es noch kälter und noch windiger ge- worden. Im Radio sagten sie Sturm sowie Schnee und Nieselregen im Wechsel voraus. Bei klirrenden Minusgraden!

„Michi, wir müssen die Katze ins Haus holen! Die ist hilflos und so ein Wetter überlebt sie nicht!“

„Ist das dein Ernst?“

„Natürlich ist das mein Ernst! Wir können die arme Katze doch nicht erfrieren lassen! Das würde ich mir nie verzeihen!“

„...Okay... meinetwegen. Aber nur vorne in den Windfang!“

„Einverstanden.“

Ich war erleichtert und konnte Michi noch dazu überreden, mir mir nochmal einzukaufen, um eine Katzentoilette zu besorgen (eigentlich war es eine eckige Plastikwaschschüssel gefüllt mit Tongranulat, aber besser als nichts).

Abends (der Wind und die Kälte hatten schon sehr zugenommen) hockte ich vor unserer Haustür und lockte die kleine, grau-getigerte Katze an.

Sie hatte mir gegenüber schon etwas Vertrauen gefasst und der Räucherlachs in meiner Hand war wohl auch unwiderstehlich. Trotzdem dauerte es eine gute Stunde, bis sie sich immer näher an das Haus wagte und schließlich vorsichtig, Pfote für Pfote, den Windfang betrat.

Und „klack“ schloss ich die Tür hinter ihr.

Ich war happy, die Katze zunächst nicht.
Panisch und verwirrt mauzte sie in den höchsten Tönen, ließ sich aber durch ruhiges Zureden zumindest etwas beruhigen.

In dem Augenblick öffnete Michi die Tür zur Stube.
Schnell lief die Katze hinein, rannte laut miauend durch das ganze Haus, bis sie sich schließlich auf einem Esszimmerstuhl, im Schutz der Tischplatte, zusammenrollte und schlief.

Michi gab sich zwar etwas „knurrig“, aber letztendlich hatte er nichts dagegen, dass die Katze jetzt in der Stube und nicht im Windfang schlief.

Am nächsten Morgen war unser gesamtes Haus von einer Eisschicht umhüllt! Wirklich: Unser Haus war vereist!

Ich war so froh, dass wir die Katze ins Haus geholt hatten!

Die Katze selber, hatte morgens noch einmal einem rot-getigertem Kumpel vom Fenster aus zu miaut, bevor dieser wieder in den Dünen verschwand, aber ab dann schien sie die Wärme und Bequemlichkeit gar nicht so schlecht zu finden!

Außerdem war sie so ausgehungert, dass sie es gar nicht erwarten konnte, bis ich ihren Napf gefüllt hatte.

Sie war auch nicht sonderlich scheu.
Eher vorsichtig und zurückhaltend und sie benutzte sofort brav das Katzenklo.

Sie ließ sich auch vorsichtig streicheln und hat nie gefaucht oder gebissen.

Alles in Allem hatten wir nicht das Gefühl, dass sie eine wilde Katze war. Sie kannte die Nähe der Menschen und muss mal ein Zuhause gehabt haben. Der Gedanke brach mir das Herz.

Warum musste die süße jetzt draußen ums Überleben kämpfen, obwohl sie doch gar nicht wusste, wie?

Der Tag der Abreise nahte.

„Sag mal, was machen wir denn jetzt mit der Katze?“ fragte Michi.

„Wie? Was machen wir mit der Katze? Die nehmen wir mit! Ich lass die doch nicht wieder raus und überlasse sie ihrem Schicksal!“ antwortete ich.

„Du entscheidest jetzt also einfach mal, dass wir die Katze mitnehmen?“

„Ja!“

„Du weißt, dass Haustiere in unserer Wohnung nicht erlaubt sind und unser Vermieter mit im Haus wohnt! Was ist, wenn wir Schwierigkeiten bekommen?“

„Dann ziehen wir eben um!“

„Ja Klaaaaaar! Madame entscheidet einfach, dass wir dann umziehen! Wegen einer Katze!“

„Könntest du sie jetzt ernsthaft hier lassen? Wo sie anfängt, uns zu vertrauen? Und obwohl du weißt, dass sie es draußen alleine nicht packt?“

„Moooaaah... Du machst mich wahnsinnig! Wo bekommen wir jetzt eine Transportbox her?“

Um es kurz zu fassen: Wir haben eine Zoohandlung ausfindig gemacht, eine Transportbox gekauft und die Katze über die dänische Grenze nach Hamburg gebracht.

Nach unserer Ankunft sind wir als erstes mit ihr zum Tierarzt gefahren.

Dort stellte sich heraus, dass die Katze wohl schon älter war, voller Flöhe, Darmproblemen, einem vor Jahren gebrochenen Schwanz (weshalb dieser immer einen Knick hatte), einem schiefen Rücken (es war nicht auszuschließen, dass dies durch Tritte passiert ist), entzündeten Augen sowie etlichen Wehwehchen.

Der Tierarzt gab ihr nur noch einige Monate.
Das machte uns zwar traurig, aber die Kleine sollte noch eine behütete Zeit haben.

Als erstes gaben wir ihr einen Namen: Lille!

Nachdem ihre Augenentzündung verheilt war konnte man sehen, dass sie strahlend gelbe Augen hatte.

Sie fing auch schnell an, auf ihren Namen zu hören und als sie uns immer mehr vertraute, wurde sie zu einer dankbaren und unsagbar lieben Schmusekatze.

Ich könnte jetzt noch viele Geschichten über meine Lille erzählen, aber das wäre zu ausschweifend.

Sie hatte, der Prognose des Tierarztes zum Trotz, noch über drei behütete und schöne Jahre bei uns, bevor sie im Schlaf über die Regenbogenbrücke ging und ich sie morgens leblos auf dem Sofa fand.

Es brach mir das Herz!
Gleichzeitig war ich so dankbar, dass sie zumindest noch drei schöne Jahre bei uns hatte und dass sie uns vertraut hat.

Sie war eine perfekte, kleine Seele und meine allererste Katze. Deshalb wollte ich über sie schreiben, damit sie nicht vergessen wird.

Ihr folgten noch weitere Katzen, die ich ebenso liebte oder liebe, aber Lille kam halt auf diesen besonderen Weg zu uns. Das Schicksal wollte es scheinbar so.

Leider habe ich aufgrund eines digitalen Totalschadens keine Fotos von Lille, aber wenn ich an sie denke, sehe ich sie direkt vor mir, mit ihrem Knickschwanz.

Michi und ich sind inzwischen seit Jahren getrennt, aber immer noch Freunde.

Und soviel sei verraten:

Lille war auch für ihn der Startschuss zum „Katzenpapa-Dasein“.

12.12.2021

14.12.2021


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