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Duffy

Mein „Knallkörper“

Manchmal geht alles ganz schnell und einfach – vielleicht weil es einfach so sein soll.

Wochenlang hatte ich im Herbst 2020 Tiervermittlungsseiten durchforstet, aber in Corona- Zeiten waren selbst alte, freundliche, nicht zu große Hunde Mangelware.

Doch dann war er plötzlich online, eigentlich etwas zu schwer, etwas zu unhandlich mit viel zu kurzen Beinen für den langen Rumpf, aber von der Beschreibung her passend.

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Die Vermittlerin antwortete überraschend prompt und freundlich auf die Bewerbungsmail – Das Date sollte bereits in fünf Tagen stattfinden.

Es war ein kalter, eher unangenehmer Tag und der erste Gedanke beim Blick über den Tierheim-Zaun, wo der „Ausgeguckte“ gerade an der Leine mit einer Betreuerin lief, war „Jessas, humpelt der“. Was ihn aber keineswegs daran hinderte, mich flotten Fußes beim ersten Spaziergang ums Gelände mal eine Runde „einzuschleifen“.

Ansonsten war Duffy freundlich, aber distanziert, ohne Ambitionen zu gefallen, schon fast gleichgültig – und irgendwie ergab es sich am Ende, dass ich den Hund gleich mitnehmen konnte. Das Tierheim half freundlicherweise noch mit einer Transportbox aus, denn für die mitgebrachte war er eben zu groß, zu lang...

Am Heimweg waren wir sicher das lauteste Auto überhaupt auf dieser Stecke; der vier- beinige Mitfahrer gab alles. Fiepen, quietschen, heulen, bellen – beim Aussteigen klingelten uns die Ohren, während der Hund umgehend verstummte mit festem Boden unter den Füßen.

Den ersten Gang um den Block fand Duffy ganz spannend; die Hundedichte hier ist hoch, dementsprechend voll mit Lesestoff war die örtliche Hundezeitung.

Ins Haus rein ging er wie ein alter Hase, das kannte er offensichtlich; auch den Aufzug nutzte er als würde er es jeden Tag tun. Nur den doofen Hund in der Ecke, den musste er erst anwedeln, dann anbellen und schließlich anknurren – Spiegel kannte er wohl nicht. Dasselbe Spiel wiederholte sich in der Wohnung am Spiegel im Schlafzimmer – am Ende trug auch der deutliche Schmierspuren des neuen Mitbewohners.

Von da an wurde es erst einmal hart – für uns beide.
Denn da prallten Welten aufeinander, die so nicht gleich zusammengingen.

Ich hatte einen netten freundlichen und unauffälligen Weggefährten gewollt – was Duffy gewollt hatte, weiß ich nicht. Hinter sich aber hatte er ein Leben, das sich vollkommen unterschied von dem, was ich da von ihm verlangte:

Irgendwann Anfang 2010 war er als bereits erwachsener Hund (man hatte ihn auf etwa drei Jahre geschätzt) in ein ungarisches Tierheim gekommen, das er erst wieder verlassen hatte, als das deutsche Tierheim ihn aufnahm.

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Als junger Hund hatte er sicher im Haus gelebt, das merkte man ihm an – aber jetzt nach all den Jahren Tierheim reiner Wohnungshund sein?

Nie war mir der Satz meines früheren Hundetrainers „Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht" präsenter angesichts eines hoch gestressten, unruhigen, fiependen, quietschenden, bellenden Hundes, der nur herumtigerte, soff wie ein Loch und sich ledig- lich draußen im Freien einigermaßen wohl zu fühlen schien.

Schlaf schien Duffy so gar nicht zu brauchen, fressen auch nicht – aber Sofa und Bett entern, das hätte er schon wollen. Und das mit einer unfassbaren Hartnäckigkeit – am Ende hatte ich die Stühle auf dem Sofa liegen und die Kartons am Bett.

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So schleppten wir uns durch zweieinhalb Tage und Nächte, dann hatte der Himmel ein Einsehen und schickte Regen, also so richtig. Und das führte dazu, dass der Herr Hund sich mit einmal unsichtbar zu machen suchte und wie er sich so in die Ecke am Sofa tief in das Hundebett drückte, schlief er doch tatsächlich ein – welch eine Wohltat.

Mir tat es richtig leid, als ich ihn spät am Abend dann noch wecken und in den mittlerweile in Niesel übergegangen Regen jagen musste – Er war auch schwer beleidigt und gottlob froh, als er wieder im Trockenen war und erneut in den „Unsichtbarkeitsmodus“ über- wechseln konnte.

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In jener Nacht verschwand auch wundersamerweise das Huhn mit Reis aus dem Napf in der Küche...

Da weiß ich übrigens immer noch nicht, ob er es dank seiner Nase oder dank des Nacht- lichts fand; in der Dämmerung oder der Nacht war er nämlich blind wie Maulwurf und ist mir mehr als einmal über eine Bordsteinkante gestolpert.

Gefährlich waren auch Glasscheiben, da musste man achten, dass er nicht gegenlief. Auch mit dem (Richtungs)Hören hatte Duffy keine Verträge mehr, aber da er ordentlich Jagdtrieb hatte und die Hasendichte hier hoch ist, stand Ableinen eh nicht zur Debatte.

Ansonsten war Duffy wirklich eine Seele von einem Hund.
Der zuckte mit keiner Wimper, wenn sich im Hausflur zwei der aufdringlichen und für gewöhnlich unangeleinten Hunde einer Nachbarin um ihn "kümmerten". Rollatoren, Kinder, Fahrräder – es ließ ihn alles kalt. Nur diese kleinen Toy-Hunde schien er nicht zu kennen, bei deren Anblick ging er „ab“ wie bei dem von Hasen...

Rumziehen und Rumkämmen konnte man fast endlos an ihm - im Schwäbischen sagt man "der hebt na wie a lausigs Katzerl" - Unterfell hatte Duffy massig.

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Spaziergänge waren anfangs sein Streß-Ventil:
An gestreckter Leine ging es im halben Galopp durch die Gegend; ihn da zu unterbrechen war nicht einfach, er war da "richtig drin". Zu meinem großen Kummer fand das alles am Halsband statt, er weigerte sich standhaft, auch nur eine Pfote vor die andere zu setzen mit einem Geschirr an seinem Astral-Leib – da war er stur wie Panzer und blieb es auch.

Weitaus betriebsamer war er mit Decken, Körbchen und Co, die er eifrig auf einen Haufen türmte und dann zufrieden davor lag... Und so nach einer Woche gab es dann die Momente, wo Duffy all sein Elend vergaß und sich am Rücken liegend ein bisserl mit allen Vieren nach oben über den Teppich schubberte...

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Ihn länger alleine zu lassen, das traute ich mich anfangs nicht – Mietshaus eben, da kommen laut bellende Hunde schlecht. Und so musste er schon nach wenigen Tagen für einige Stunden zu meinem Sohn.

Es wäre nicht der Knallkörper gewesen, wenn er sich nicht gleich auf das Sofa geschwungen hätte und auf das „Nein“ von meinem Sohn, der auch gleich Richtung Sofa eilte, überhastet in die Tiefe gestürzt hätte. Ich war noch nicht mal recht raus aus dem Haus, da kam der Anruf, der abgestürzte Kamikaze setze ein Vorderpfötchen nicht mehr auf – als ich ihn abholte, lief er wieder ganz vernünftig.

Nur in der Wohnung sah es aus wie bei mir:
Die Stühle wohnten am Sofa und der ganze Boden war voller Haare und Wassertropfen *lach*

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Als nächstes lernte er den Tierarzt kennen und das Busfahren – anfangs die Stirn in schweren Denkfalten, aber dann wurde auch das unter „nicht von Interesse“ verbucht und hingenommen.

Er konnte auch bald in „komisch“ – Duffy hatte die unmöglichsten Schlafpositionen, schnarchte wie ein ganzer Kerl und konnte mit den Zähnen klappern wie ein Storch, wenn es was Interessantes zu „lesen“ gab. Eines seiner Ohren konnte hochstehen, das andere nicht.

Und er entdeckte seine Liebe für getrocknete Leckereien, wobei er gleich zu Anfang an einem hastig ungekaut heruntergeschluckten Hühnerbein beinahe erstickt wäre – danach war er vorsichtiger.

Sein absolutes Highlight war ein riesiges Schweineohr, das ihm der Junior zu Weihnachten schenkte. Danach war der Hund so breit wie lang und hatte sichtlich Magendrücken...

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Wir rauften uns also zusammen.
Die Vormittage wurden entspannter, die Abende auch, nur die Nachmittage blieben lange schwierig mit einem tigernden, hechelnden, mitunter lauten Hund. Ganz ungemütlich wurde es nochmals als eine der Hündinnen in der Nähe läufig wurde – da campierte der Hund an der Wohnungstür und wollte noch öfter raus als sonst - und er bestand eh schon auf fünf oder sechs Ausflügen am Tag.

Laufen ging mal so mal so. An manchen Tagen tat sich Duffy echt schwer und dann mochte er auch nicht so recht - es sei denn, es fand sich eine interessante Spur...

Und manchmal wurde es kurios, beispielsweise wenn sich der schlecht-sichtige Hund in der ein- setzenden Dämmerung hartnäckig weigerte, an einem am Boden liegenden Sheltie mit Leuchthalsband vorbeizugehen und sich mit Denkfalten auf der Stirn angestrengt bemühte, das "irgendwas" zu identifizieren. *seufz*

Es hätte alles so bleiben können, die Tage wurden langsam wieder länger und wärmer – aber dann ging es wieder ganz schnell.

Eines Samstagmorgens kam mir der Hund komisch vor.
Ich hatte den Eindruck, er wölbe den Rücken - ein paar Stunden später war es deutlich schlimmer; er stolperte häufig, die Füße gehorchten ihm nicht mehr recht.

Am Nachmittag standen wir beim Tierarzt, der Hund vollkommen gelähmt, nicht einmal mehr den Kopf konnte er heben. Man diagnostizierte ein neurologisches Problem, spritzte Cortison, das sei kein Fall zum Einschläfern, der sei im Kopf ganz klar, habe eben auch Urin abgesetzt, Blase könne er also entleeren – Wenn mir das alles zu viel sei, würde man ihn über die Praxis an einen Gnadenhof vermitteln.

Ich konnte nicht mal so schnell denken wie ich sprachlos war...
Das und all das was folgen sollte, das hatte Duffy einfach nicht verdient.

Die nächsten Stunden wurde es wild. Anweisungsgetreu schleppte ich den Hund alle paar Stunden runter, aber selbst wenn es mir gelang, ihn irgendwie auf seine Pfoten zu stellen und etwas abzustützen, lösen konnte er sich natürlich nicht, dazu fehlte ihm einfach die Kontrolle.

Am nächsten Morgen wurde der Hund dann erkennbar unruhig, hechelte, konnte aber weiterhin keine Bewegungen koordinieren und sich draußen auch nicht lösen. Irgendwann krampfte Duffy dann furchtbar und in diesem Krampf entleerte sich auch die Blase – da war mein Sohn schon am Weg und wir bald darauf im sonntäglichen Notdienst, wo ein kleines Hundeleben gnädig sein Ende fand.

Das Leben ist manchmal echt nicht fair.

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Au revoir, mein kleiner Knallkörper Duffy

Ein großes Dankeschön an das Tierheim Limburg-Weilburg, das uns immer mit großem Engagement begleitete.
 

02.12.2021

04.12.2021


weihnachtstiere

Oder einen Gutschein über einen Tierheimbesuch im neuen Jahr!

Niemals ein Tier verschenken, ohne zuvor gefragt zu haben, ob es erwünscht ist!!
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Eltern sollten sich immer bewusst sein, dass SIE die letztendliche Verantwortung für ein Tier haben und nicht das Kind - Egal ob Hund, Katze oder Meerschweinchen und egal, was man vorher sagt!!

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