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Charly

19 Jahre Freundschaft – Ein Denkmal für Charly

1990 kaufte ich mein erstes Pferd, ein Herzenswunsch seit meiner Kindheit.

Er war unter dem Namen „Dacker VI“ 1985 geboren und wurde 1989 über Neustadt/Dosse von einem Händler in die BRD eingeführt und an einen Reitschulbetrieb in der Lüneburger Heide weiterverkauft, wo ich ihn kennenlernte.

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Er fiel durch seine Größe und seinen zurückhaltenden Charme auf und hatte ein etwas empfindliches Nervenkostüm: Er wurde schnell hektisch.

Leider erfuhr er durch Besitzerwechsel des Hofes und falsche, zu ergeizige Zielsetzungen zuviel Druck, dem er versuchte, mit passivem Widerstand zu begegnen, obwohl er zunächst kooperativ war - wie alle aus der ehemaligen DDR eingeführten jungen Pferde!

Die Schilderung der Maßnahmen, um ihn gefügig zu machen, erspare ich mir hier; schließlich kam er als unreitbar zum Händler zurück. Und durch Zufall doch noch mal in die Reitschule, weil es eine angebliche Interessentin für ihn gab.

Die wollte ihn dann doch nicht, aber ein zufällig anwesender weiterer Reiter, der mir im gleichen Zuge anbot, ihn auch regelmäßig reiten zu dürfen, kaufte ihn. Das war im Mai 1990, also schien seine Odysse ein Ende zu haben.
                                                                                  
Ich musste mit der Grunderziehung von vorne anfangen, was viel schwerer war, wegen der vielen groben und schlechten Erlebnisse, und selbst hatte ich auch nur wenig Erfahrung als Freizeitreiterin und Fast- Anfängerin.

Leider kam es dann außerdem durch den Besitzer zu vielem Hin und Her in der Erziehung.
Charly wurde weiter inkonsequent behandelt, mal grob... usw.

Aber im November 1990 nutzte ich meine Chance, ihn dann ganz für mich zu erwerben.

Zum Glück hatte ich mir angelesen, daß man einzelne Schritte in der Erziehung sorgfältig nacheinander trainieren muß - Immer den Folgeschritt erst, wenn der vorherige sicher gekonnt wird.

So fing ich, oft etwas belächelt, mit Aufhalftern (er streckte die Nüstern senkrecht nach oben bis unters Stalldach, um dem auszuweichen), Auftrensen, dann Aufsteigen an und immer hatte ich bei erfolgter Kooperation ein Leckerli parat.

Wenn die Aufgabe gut geklappt hatte, habe ich ihn auf die Weide oder in die Box gestellt, aufs Reiten verzichtete ich dann erstmal. Bis zum Aufsteigen ohne Helfer brauchte ich ca. 5 Monate Geduld.

Er wurde ein treues sanftes Pferd, der Kinder liebte und sehr dankbar war, wenn man ihn gut und angemessen behandelte.

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Er wuchs bis zum Stockmaß 180 cm und war ein „Spät- entwickler“ - gerade recht für meine Vorliebe für Ausritte aller Art. Auch das Alleine-Gehen hat er schnell gelernt und mich trittsicher überall hin getragen.

Durch seine sehr steil gestellte Hinterhand hatte er keine spektakulären Gänge und war wegen seines geraden, relativ kurzen Rückens auch nicht sehr weich zu sitzen; eine etwas problematische Sattellage erschwerte den Sattelkauf. (Von Anfang an, als ich ihn kennengelernt hatte, fiel eine unterschiedliche Bemuskelung seiner Kruppe auf - der Tierarzt vermutete einen Beckenbruch im Fohlenalter.)

Aber er sprang gerne und verlässlich bis A-Niveau, und nach langer Durststrecke (Dressurgymnastik in der Halle und auf dem Platz war nicht sein Ding) und Benutzen von naturgegebenen Möglichkeiten zum Gymnastizieren bei den Ausritten, konnte ich mit ihm ab seinem 14. Lebensjahr eine saubere A-Dressur reiten.

Dazwischen lagen auch Wochen und Monate angefüllt mit Frust und Streß, weil ich selbst erst lernen musste, seine körperlichen Grenzen und die Grenzen meiner Fähigkeiten zu sehen.

Er war empfindlich auf der Lunge, seit seinem 6./7. Lebenjahr chronischer Huster (wir hatten in dem damaligen Stall eine Boxenhaltung mit täglichem Weidegang), was ich aber durch schleimlösenden Tee in Grenzen halten konnte. Außerdem war er allergisch auf Roggen, Hasel- und Erlenpollen, was ebenfalls natürlich zu vielen langen Hustereien führte, und er war ein etwas schlechter Futterverwerter mit im Alter stark zunehmender Neigung zu Koliken.

Als er 18 Jahre alt war, 2003, ging ich mit ihm in einen anderen Stall mit Robusthaltung, um seine gesundheitliche Lage zu verbessern.

Ich stellte ihn trotz schlechter Hornsubstanz auf das Barfußlaufen um, was ihm zwar schwer fiel, aber mit entsprechender Rücksichtnahme hatten wir 2 Jahre später wesentlich belastbarere Hufe erreicht. Schon nach 1 Jahr konnte man ihn wieder auf allen Böden reiten.

Außerdem war er durch den 24-stündigen Weidegang wieder in der Lage auch auf der linken Hand zu galoppieren. Links war immer seine schwache Seite, und seine zu- nehmenden Arthrosen hatten dazu geführt, dass er seit seinem 16. Lebensjahr eigentlich nur noch per Zufall im Linksgalopp ging.

Die Robusthaltung ist ihm zunächst sehr gut bekommen, er hatte keine Koliken mehr und der Husten wurde so viel besser, dass ich nur noch sporadisch zu den akuten Blütezeiten Tee kochen musste. Er blühte körperlich und psychisch auf, hat aber auch mehr Anforderungen erlebt, weil er der Herdenchef in der Gruppe von 14 Pferden sein wollte.

Seit seinem Wechsel in die Robusthaltung gab es außer mir noch eine kleine, leichte Frau, die zuverlässig mit ihm umging und ihm mit viel Phantasie Bodenarbeit und weitere Späße näherbrachte:

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Dies ist um so bemerkenswerter, als er ja diese Neigung zur ängstlichen Hektik hatte.

Zusammen mit den sehr schlechten Erlebnissen an seinem Lebensanfang hatte es dazu geführt, dass er jahrelang nicht angebunden werden konnte; er stieg immer sofort beim geringsten Druck aufs Genick! Bei der Arbeit an der Longe reagierte er früher zunächst panisch und Hilfszügel waren gar nicht möglich aus dem gleichen Grund. Erst nach jahrelanger Pause gelang ein Wiedereinstieg ins Longieren.

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In dem neuen Stall mit Robusthaltung war er aufgrund seines freundlichen Wesens sehr beliebt, ging dort auch unter Kindern und lernte außerdem, als Vorsorge für seine „Altersteilzeit“, als Handpferd zu gehen, bzw. ein Handpferd zu tolerieren.

Seit 2006 passierten ihm immer mal wieder Weideunfälle:

Er kam beim Wälzen nicht mehr hoch, wenn er auf seiner falschen (linken) Seite lag; bei einer  Grätsche infolge von Kabbeleien auf der Koppel, hatte er Zerrungen und Prellungen erlitten, die nur sehr langsam zurückgingen, und er stolperte mehr.

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Im Winter 2008 lag er nachts fest, nachdem er wahrscheinlich auf vereistem Kopfsteinpflaster ausgerutscht war. Ich hatte den Eindruck, dass er von den jüngeren Pferden immer mehr bedrängt worden war.

Weil auch ich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ohne Halle klar kam, suchte ich zu Jahresanfang 2009 noch mal einen neuen Stall mit Boxen-Weidegang und einem sehr sinnvollen individuellen Management aus.

Der Umzug ging deshalb sehr leicht, weil mein zweites Pferd, das ich seit 2003 aus dem ersten Schulbetrieb mitgenommen hatte, diesen Übergang erleichterte- Zu zweit geht alles ganz leicht!

Leider wurde Charly schnell immer hinfälliger - im wahrsten Sinne des Wortes.
Beim Ablegen zum Ruhen konnte er offensichtlich mit seiner schwachen linken Hinterhand nicht mehr genug gegenhalten, er lag dann immer auf seiner linken Seite, von der aus er nicht mehr aufstehen konnte.

Nachdem dies in kürzer werdenden Abständen zum 3. Mal auftrat, entschloß ich mich im Mai 2009 zum Einschläfern. Die tiefen Schürfwunden von seinen Aufstehversuchen, das entwürdigende Wenden auf seine bessere Seite, damit er wieder hochkam, und das Elend, daß ein Fluchttier nicht mehr aufstehen kann, wollte ich nicht verlängern.
                                              
24 Jahre ist er geworden und hat mich 19 Jahre täglich treu begleitet. Eine riesige Lücke hat er hinterlassen, aber auch das Glück, sehr viel über den Umgang mit Pferden – vor allem im Alter – gelernt zu haben.

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November 2021

Babette Hintze

14.12.2021

16.12.2021


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