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Nonno

Auf seine alten Tage noch...

Im Oktober des Jahres 2017 musste ich meine Mette-Motte schweren Herzens gehen lassen.

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Ihre Nachfolgerin wurde Tonks, eine knapp 11-jährige Rottweilerhündin, die zum Trennungsopfer wurde und Mitte November hier als Pflegehund des örtlichen Tierheims einzog. So ein alter Hund sollte im kalten Winter nicht in einen Zwinger umziehen müssen.

Und das war auch die richtige Entscheidung, denn neben einem Mammatumor hatte sie schwerste Arthrose, ED und war erbärmlich am Humpeln – Die alten Besitzer hatten es nicht einmal für nötig befunden, ihr Schmerzmittel zu geben, das wäre ja „normal.“...

Und ja, sie sei natürlich entwurmt und entfloht worden.
Fragt sich nur, wann, denn zeitgleich mit ihr war eine Horde Flöhe bei mir eingezogen…  *grmpf*

Tonks hatte sich sehr schnell hier eingelebt, doch leider blieben ihr dann nur 4 Monate, bevor sie wegen eines rasant wachsenden, am Ende Fußball-großen Tumors im Februar 2017 eingeschläfert werden musste. :-(

Ttrotzdem, vielleicht dennoch in gewissem Sinne ein Happy End für sie, denn wenn die vorigen Halter mit der Situation genauso umgegangen wären, wie mit ihren übrigen Problemen, hätte sie vermutlich nur noch länger leiden müssen...

Tonks Abreise war jedoch gleichzeitig die Chance für ein weiteres Happy End, und dies sollte der 17- jährige Principe aus Sardinien bekommen, einer der ältesten Hunde von mehr als 800 im dortigen Tierheim.

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Er war mir von Mette‘s Vermittlerin ans Herz gelegt worden, und obwohl ich ihn bereits vorher auf der Internetseite des Vereins gesehen hatte, hatte er zwar mein Herz berührt, aber ich hatte nicht in Erwägung gezogen, ihn zu adoptieren – Na ja, zumindest nicht länger als ein paar Minuten… ;-)

Principe war seit mindestens 2006, wenn nicht bereits seit Welpenalter, im italienischen Tierheim; genau war dies nicht mehr nachzuvollziehen, und ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass man ihm einen Gefallen tun würde, wenn man ihn für seine letzten Monate noch aus dem zwar traurigen, aber vertrauten Umfeld reißen und ihm den Stress des Fluges und Umzugs zumuten würde.

Da ich den Verein jedoch als seriös und ehrlich in seinen Beschreibungen kennengelernt hatte, und er auch auf einem Video aus dem Tierheim noch wach und munter wirkte,

 



kam ich noch einmal ins Grübelnd und nahm Kontakt zu zwei Vereinsmitgliedern auf, die ihn erst kurz zuvor in Italien getroffen hatten. Sie bestätigten diesen Eindruck und somit beschäftigte ich mich etwas mehr mit ihm.

Seine Geschichte ist schnell erzählt, denn von seinem Leben vor dem Tierheim, sofern es überhaupt eins gab, war nichts bekannt.

Im Shelter selbst lebte er die meiste Zeit in einem der hinteren Gehege, wohin sich, mit Ausnahme eines täglichen Besuchs des Pflegers, nicht häufig Menschen verirren.

Kam doch einmal jemand, so zeigte Principe sich als stolzer, selbstbewusster Rüde, der die Besucher verbellte und sein Zwingerrudel im Griff hatte. Dieses Verhalten hatte dazu geführt, dass der Verein in nicht in die Vermittlung nahm, da es einfach zu riskant erschien.

So vergingen die Jahre, und Principe geriet zwar nicht in Vergessenheit, aber da sein Verhalten sich nicht änderte, konnte man ihm auch keine Chance auf der Homepge des Vereins geben.

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Dann jedoch starb in 2018 sein langjähriger Zwingerkumpel, die einzige Konstante in seinem Leben. Er litt sehr unter dem Verlust und begann nun, nach all dieser Zeit, sich aufzugeben.

Die Pfleger entschieden sich, ihn aus dem weitläufigen Zwingerlabyrinth nach vorne auf die sogenannte „Piazza“ zu bringen, wo vornehmlich alte und kranke Hunde und manchmal auch Welpen leben. Von dort stammen auch das obige Video und die obigen Bilder von ihm.

Hier zeigte er sich als verträglicher Senior, der genug mit sich selbst zu tun hatte, so dass andere Hunde ihn eher nicht interessierten. Er trottete durch das Gehege und ließ nun auch Kontakt mit den Menschen zu, die hier natürlich wesentlich häufiger seinen Weg kreuzten als hinten im Gehege.

Tatsächlich verliebte er sich sogar in eine der Pflegerinnen und wich ihr nicht von der Seite, sobald sie die Piazza betrat.

Trotzdem blieb noch eine Frage zu klären:

Würde man diesem alten Hund noch einen Gefallen tun, wenn man ihn aus dem vertrauten Umfeld reißen und auf eine große Reise schicken würde, um sich woanders an ein völlig neues Leben gewöhnen zu müssen?

Als 17-jähriger Opa, der vielleicht nur noch wenige Monate vor sich hatte und nichts außerhalb seiner begrenzte Welt innerhalb der Zwingerstäbe kannte?

Ein wichtiger Punkt für mich war, dass selbst die Tierärztin des Tierheims sich wünschte, dass er eine Chance in Deutschland bekommt. Auch die Vorsitzende des Vereins, die ihn erst kurz zuvor gesehen hatte, erklärte mir, dass er auf sie eine durchaus noch fitten Eindruck gemacht hatte und sie ihm durch noch 6 Monate oder länger im neuen Zuhause zutrauen würde, wobei natürlich niemand in ihm drin steckte.

Diese Einschätzungen haben mir sehr in meiner Entscheidungsfindung geholfen, und nachdem ein tierärztlicher Grundcheck, um den ich gebeten hatte, positiv ausfiel (ich wollte ja nicht, dass er auf dem Flug vor lauter Stress umkippt), war die Entscheidung gefallen:

Principe sollte kommen und seine restliche Zeit bei mir verbringen.

Schnell wurde ein Pflegevertrag aufgesetzt, demnach der Verein evtl. anfallende Tierarzt- kosten übernehmen würde, während ich für sein Futter und alle weiteren Kosten auf- kommen würde.

Und dann war es auch schon soweit:

Am 14. April 2017, Karfreitag, zog Principe, der nun „Nonno“ (italienisch für „Opa“) hieß, bei mir und meinem Pflegekater Tommy ((Update) der im Mai 2022 - nach 5 Jahren!! - ein tolles Zuhause gefunden hat) ein.

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Nach zweistündiger Fahrt vom Flughafen, die Nonno ruhig in seiner Flugbox verschlafen hat, kamen wir zu Hause an.

Den Kater hat er zunächst gar nicht bemerkt, und dieser hat ihn erst einmal aus sicherer Entfernung vom Schrank aus beobachtet.

Das erste Zusammentreffen der beiden etwas später war dann auch problemlos, und ich musste eher aufpassen, dass Tommy ihm nichts tat als umgekehrt. Im Endeffekt war es dann nur viel Gefauche und ein, zwei Warnhiebe, wenn Nonno ihm zu nahe kam, und dann waren die Fronten auch schon geklärt.

Nonno fing sofort an, nonstop durch die Wohnung zu laufen, zumeist vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer und zurück. Dabei versuchte er auch mehrere Male, durch das bodentiefe Fenster direkt in den Garten zu laufen; aber woher sollte er auch Glasscheiben kennen?

Nach einer langen Weile holte ihn dann doch der Stress des langen Tages ein, und er legte sich erschöpft auf sein Kissen im Schlafzimmer, wo er in einen komatösen Tiefschlaf verfiel.

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Die folgenden Tage verliefen nach ähnlichem Muster – laufen, schlafen, fressen, laufen,...

Zwischendurch ging es immer wieder in den Garten, natürlich im Sicherheitsgeschirr, dass leider ein wenig zu groß war. Aber auch ein vom örtlichen Tierheim Geliehenes, das eine Nummer kleiner war, passte von der Relation Umfang/Länge nicht wirklich, darum bekam Nonno dann eine Doppelsicherung mit schlecht sitzendem Sicherheitsgeschirr und Halsband.

Sehr erleichtert war ich darüber, dass er bereits ab dem 2. Tag stubenrein war“.
Das beweist mal wieder, dass auch alte Hunde noch lernen können. Und in was für einem Tempo, wenn man bedenkt, dass Nonno mehr als 11 Jahre ohne jeglichen Auslauf im Zwinger lebte, wo er auch seine Geschäfte verrichten musste!

Die ersten Nächte waren hart, da er noch im Tierheim-Rhythmus lebte – Sprich, er stand mit dem Sonnenaufgang auf, musste schnell raus und startete dann wieder seinen Wohnungsmarathon anstatt weiterzuschlafen.

Aber nach 5 Tagen musste ich ihn dann bereits wecken, um morgens vor die Tür zu gehen. :-)

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Bald schon trauten wir uns, den Garten zu verlassen und die Straße entlang zu laufen. Dies klappte von Anfang an sehr gut. Nur wenn ein Auto zu schnell vorbeifuhr, sprang er manchmal ein wenig zurück oder blieb stehen, aber er versuchte nie, zu flüchten.

Vor der Kamera hatte er zunächst Angst.
Versuchte ich, ihn zu photographieren, kam es durchaus vor, dass ich nur eine grüne Rasenfläche auf dem Bild hatte, weil er ruckzuck zwischen Knopfdruck und Auslösen zur Seite verschwunden war... ;-) Aber auch das wurde schnell besser, wie die Photos hier zeigen.

Sein erster Tierarztbesuch ergab eine Bindehautentzündung, Ohrmilben und eine so gut wie nicht vorhandene Muskulatur (woher auch?). Seine Zähne waren (O-Ton) „grottig“, und er hatte auch einige Entzündungen im Maulbereich. Zudem war er ungefähr 5 kg zu leicht.

Ansonsten war er für einen Hund seines Alters in einem guten Zustand mit auch nur leichten Herzgeräuschen, die aber (noch) nicht behandlungsbedürftig waren.

Wir hatten also die richtige Entscheidung getroffen, ihm diese Chance auf ein Zuhause zu geben. :-)

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Alleinbleiben war von Beginn an kein Problem, aber vor fremden Menschen hatte er anfangs draußen zunächst Angst; da half es auch nicht, wenn diese ebenfalls einen Hund hatten.
Er bekam also eine Bachblütenmischung, um ihm seine Angst etwas zu nehmen.

Der endgültige Durchbruch kam dann, als er Lotte kennenlernte, unsere kleine Nachbarhündin, die seine große Liebe wurde.

Auch mit anderen Hunden war er absolut verträglich; selbst unkastrierte Rüden waren kein Problem, obwohl er selber intakt war.

Dafür bescherte uns dies ein anderes Problem...
Ca. 3 Wochen nach seiner Ankunft bekam er eine Magen-Darm-Geschichte mit Durchfall und Appetitlosigkeit; und letzteres wurde auch mit Medikamenten leider nicht besser.
Nicht gut, da er ja ohnehin schon viel zu dünn war.

Es wurde also alles von Würstchen, gekochtem Huhn und sogar ein wenig Katzenfutter probiert, aber bis auf ein paar Happen fraß er weiterhin nicht. Also hab ich noch einmal Medikamente, u.a. auch gegen Übelkeit vom Tierarzt geholt, aber auch dies half nicht...

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Und dann fiel es mir wie Schuppen vor die Augen!
Eine andere Hundehalterin erzählte mir, das ihr Rüde momentan auch so schlecht fressen würde, weil wir mehrere läufige Hündinnen in der Gegend hatten – Aaargh!

Auf demselben Spaziergang traf ich dann meine Nachbarin, deren Hündin, wie sich herausstellte, gerade in den Stehtagen war...

Ich habe dann den Fehler begangen, kurz stehenzubleiben (mit Abstand, ohne direkten Hundekontakt), um sie zu fragen, wo sie bevorzugt läuft, um diese Wege in nächster Zeit meiden zu können. Nonno war vollkommen aufgedreht und kam auch im Haus nicht wieder zur Ruhe – Er ist nur rumgelaufen, jaulte, wimmerte etc.
Ich hätte ihn Charlie Chaplin nennen sollen!

Endlich wurde es dann ruhig, aber als ich gucken ging lag er nicht auf seinem Kissen im Wohnzimmer, sondern auf den kalten Fliesen vor der Wohnungstür… Männer! ;-)

Also ging es am nächsten Tag gleich wieder zum Tierarzt.
Er hatte noch einmal mehr als 1 kg abgenommen und war nun wirklich an der untersten Grenze, darum haben wir dann beschlossen, ihn chemisch zu kastrieren.
Und siehe da, anderthalb Tage später fraß er wieder!

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Danach pendelte sich unser gemeinsames Leben langsam ein.
Nonno schlief viel, aber er liebte seine Spaziergänge. Einmal hat er es sogar geschafft, in einen Graben zu fallen und sich dort noch einmal im Schlamm zu drehen… *augen roll*

Baden war nicht, ebensowenig mochte er es, abgetrocknet oder gebürstet zu werden, so dass ich seine Schlammpackung nach einer sehr groben Reinigung mit einem Handtuch dem Verfall durch Zeit überlassen musste – Es wurde also etliche Male am Tag gefegt und es hat mehrere Tage gedauert, bis sein Fell wieder komplett trocken war...

Der Winter hat ihm dann schon sehr zu schaffen gemacht, trotzdem er natürlich nur in einen warmen Hundemantel gepackt nach draußen ging.

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Sein Alter machte sich immer mehr bemerkbar, insbesondere in Sachen Standfestigkeit.

In der Wohnung bekam er Probleme, auf dem Laminat oder den Fliesen aufzustehen, auf den 5 m zur Wohnungstür musste ich ihn 6 x wieder ordentlich hinstellen, und draußen kippte er schon um, wenn er einen Maulwurfshügel streifte. Oder aber er setzte sich gleich einmal komplett auf den Hintern, wenn er einen Haufen machte oder vor dem Futternapf stand...

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Sein Stellreflex hinten war kaum noch vorhanden und teils lief er sogar mit umgeklappter Pfote weiter, ohne sie wieder ordentlich hinzustellen. Er lief also ein paar Schritte quasi auf der Oberseite der Pfote.

Auch das Humpeln wurde schlimmer und er bekam nun natürlich Schmerzmittel und Vitamin B komplex für die Nerven, was zumindest für eine Weile eine wirkliche Besserung brachte, bevor er sich dann auf einem etwas höheren Niveau als zuvor stabilisierte.

Aber es war natürlich klar, dass sich seine Zeit immer mehr dem Ende zuneigte, was war ja nun zu erwarten war bei einem großen, mittlerweile fast 18-jährigem Hund.

Man merkte, dass er immer müder wurde.
Er war nicht akut krank, aber einfach alt mit müden Augen und wurde jeden Tag etwas weniger.

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Nur Lotte konnte ihn noch in Trab bringen; sie war sein Jungbrunnen.
Egal, wie wackelig er selbst am Ende seiner Zeit hier war, sobald er sie sah, wurde er munter.
Er hoppelte und galoppierte dann, dass man denken konnte, er wäre ein Jungspund; es war wirklich herzerwärmend!

Im Mai 2018 war es dann aber doch so weit.
Er hatte seit Tagen so gut wie nichts mehr gegessen, wurde immer schwächer und wollte einfach nicht mehr.

Mit seinen - nach neuer Berechnung - 123 Menschenjahren hatte er es verdient, in Würde zu gehen,  so dass ich ihn schweren Herzens, aber auch dankbar habe gehen lassen.

Er ist friedlich in meinen Armen eingeschlafen.

Als Nonno einzog, hatte ich zwei Wünsche:

Dass ihm angesichts seines Alters zumindest noch ein Jahr hier gegönnt sein würde, und dass es ihm, anders als Mette, nicht allzu schwerfallen würde, sich an sein neues Leben zu gewöhnen.

Beide Wünsche gingen in Erfüllung.

Im Endeffekt hatte er noch 13 schöne Monate hier, und ich bin froh, dass seine Pfleger und Vermittler ihm diese Chance gegeben hatten. Dass ich die Entscheidung für ihn getroffen habe, und dass er nach all den Jahren nicht auch noch im Tierheim sterben musste.
 

03.12.2020

05.12.2020


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Oder einen Gutschein über einen Tierheimbesuch im neuen Jahr!

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