Zwei kleine Häufchen Elend in einer Plastiktüte am Straßenrand.
Ende 2016 mussten ich leider meine alte Katze einschläfern lassen.
Für mich stand schon lange davor fest, dass ich einen Hund möchte, aber mit einer altersschwachen, dementen Katze, die weder gut zu Fuß, noch ganz dicht (im Kopf und hinten :D ) ist, kommt eine so gravierende Veränderung absolut nicht in Frage.
Schon eine ganze Zeit vorher habe ich unzählige Rasseberichte gelesen und mir ziemlich genau überlegt, was zu mir passen würde und was nicht... also theoretisch, denn es kommt ja immer anders als man denkt... ;)
Dann habe ich mich nämlich durch Zufall mit einer Freundin darüber unterhalten, die sehr aktiv im Tierschutz ist. Sie bat mich, mir ein paar ihrer Notfälle anzusehen und ich habe natürlich zugestimmt, da auch meine Samtpfoten immer aus dem Tierschutz stammen, warum nicht auch der Hund?
Tja, 15 Minuten später hatte ich über 100 Hunde in meinem E-Mail-Postfach. Es war wirklich alles dabei vom Rassehund zum Mischling, vom Welpen bis zum Greis. Und unter anderem folgende Mail in schlechter Übersetzung aus dem Spanischen:
9.1.2017
Hier Drogo und Benjen, unsere zwei Brüder, die unter einem Auto ausgesetzt wurden. Sie wurden in eine Plastiktüte gestopft - sie hatten noch nicht mal die Augen offen. Nach 2 Wochen mit nächtelanger Fütterung mit der Flasche, fangen sie nun an, ihre ersten kindlichen Schritte zu machen. Sie sind einfach nur Schätze. Sie werden wohl mittel bis gross. Sie suchen eine Familie, die sie sehr liebt. Sie haben ja genug gelitten als Neugeborene. Sie sind in Sevilla und wenn sie soweit sind, können sie überall hingeschickt werden. Natürlich werden sie auch getrennt vermittelt.
VIELEN LIEBEN DANK
Ich war auf den ersten Blick verliebt in die laut Gentest recht abenteuerliche Mischung aus hauptsächlich aus Greyhound, Boxer und Ridgeback. Gesagt getan, meine Freundin hat alles mit der spanischen Orga geregelt und ich bekam regelmäßige Updates. Bilder vom ersten Impftermin und sogar ein kleines Video. Damit war auch die frühestmögliche Ausreise sicher (5.2.2017) und ein Transport wurde organisiert.
Das war der erste richtige Dämpfer der Geschichte. 3 Tage hätte mein bald neues Baby in einem Transporter quer durch Europa reisen sollen. Das lag mir schwer im Magen.
Dann bekam ich folgendes Bild mit der Info, dass Tyson (damals noch Benjen, zwischen- zeitlich war der neue Namen fürs neue Familienmitglied ausgesucht) jetzt alleine wartet, weil sein Bruder an diesem Tag abgeholt worden war. Er hat eine Familie in Spanien gefunden
Er war so winzig und sah so ängstlich aus. Also habe ich kurzerhand einen Flug und ein Hotel gebucht, entschlossen, ihn schnellstmöglich abzuholen.
Von München über Frankfurt nach Sevilla der Hinflug. 2500 km Luftlinie zu meinem Liebling. Eli (seine Ziehmama), die Frau von der Organisation und Tyson haben am Flughafen auf mich gewartet. Die Kommunikation war Horror, aber mit Händen und Füßen haben wir uns auf McDonald’s geeinigt. Mit Hund ist es in der Region nicht so einfach, irgendwo hinein zu dürfen, und das McDonald’s hatte eine Terrasse.
Wir haben den Nachmittag zusammen verbracht und am Abend haben sie mich und Tyson im Hotel abgesetzt, wo wir den Papierkram noch hinter uns gebracht haben. Dann waren wir endlich zu zweit.
Die Nacht war nicht halb so schön, wie ich es mir vorgestellt habe. Der Kleine war natürlich super aufgeregt, ich schlecht organisiert, das Hotel mitten in der Stadt. Ergo: Bis ich immer angezogen war, hatte er schon auf die Fliesen gepinkelt. Shit happens... auch wortwörtlich :D
Am nächsten Tag, gleich in der Früh, bin ich mit ihm im Handgepäck zum Flughafen gefahren.
Ich war ehrlich gesagt mehr als nur überfordert mit der Situation. Das Schicksal war aber ziemlich gut zu mir und hat mir eine ältere Italienerin geschickt, die mich unter ihre Fittiche genommen hat. Sie hatte selbst einen Dackel im Handgepäck und hat mir beim Einchecken, den Sicherheitskontrollen, der Nahrungsbeschaffung und dem Boarding geholfen. Ich konnte ihr noch nicht einmal richtig Danken, weil auch wir uns mehr oder weniger nur mit Händen und Füßen unterhalten haben.
Tyson war so tapfer… oder es war Schockstarre. Bis zur Landung in München (Ohne Stopp über Frankfurt) hat er nicht einen Mucks in dem Täschchen gemacht. Er wollte nicht einmal aus der Tasche zum Pinkeln, als wir endlich wieder Boden unter den Füßen hatten. Irgendwann habe ich ihn gezwungen.
Nach einem Tag mit 7 Kilo Lebendgewicht auf der Schulter (und das ganze dummerweise in Stöckelschuhen) konnte ich einfach nicht mehr. Dann folgte noch eine beschissene Stunde, in der ich mein verdammtes Auto nicht gefunden habe. Zwischenzeitlich musste ich das Würmchen wieder tragen, der Arme war echt runter mit den Nerven (ich auch!).
Dann endlich habe ich mein Auto gefunden. Ty auf dem Beifahrersitz angeschnallt, wo er sich sofort auf dem Sitz zusammen gerollt hat und tief und fest schlief. Seinen Kopf auf mein Handgelenk gebettet war ich froh um meinen Automatik und bin gemütlich die letzten 1,5 Stunden nach Hause gefahren.
Das waren die ersten 24 Stunden unseres gemeinsamen Lebens. Alles andere als optimal, aber ich würde es jederzeit wieder tun. Auch wenn er mir oft den letzten Nerv raubt, war es die beste Entscheidung seit langem. <3
Aber! Das nächste Mal weiß ich, was auf mich zukommt, und mache lieber viele andere Fehler. :D
Zum Schluss noch ein kleiner Größenvergleich, was sich in einem Jahr so getan hat. Von 30 cm auf 66 cm Schulterhöhe, von 6,2 Kg auf 28,4 kg, von 0 auf 100 in mein Herz <3
Aus dem kleinen Häufchen Elend, in einer Plastiktüte am Straßenrand, ist ein wunderschöner, stattlicher Rüde geworden, der jeden einzelnen meiner Tage schöner macht.
(Helishooting)
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