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Picard

Captain Picard bitte auf die Brücke:

Der kleine Hund mit dem goldenen Herzen

Ich liebe Hunde.

Klar, das tun wohl alle, die sich an diesem Kalender beteiligen. Meine Liebe entbrannte aber schon sehr früh und war sehr unglücklich, denn einen eigenen Hund würde ich nie bekommen, das war von meinen Eltern deutlich klargestellt worden.

Also suchte ich mir Babysitterjobs, bei denen auch der Familienhund mit auf die Kinder- wagentouren durfte.

Irgendwann vermittelte mir meine Mutter, die allmählich die Nase voll hatte von dem ganzen Hundegerede, einen Gassihund, einen Langhaarcollie, der einer damaligen Bekannten von ihr gehörte und nach dem Auszug von deren Tochter irgendwie übrig war.

Dass ich diesen Hund später beim Auszug in die Studienstadt mitnahm, ist eine ganz andere Geschichte. Hier ist nur wichtig, dass dieser ältere Herr meine Liebe zum Langhaarcollie vom amerikanischen Typ weckte, die seitdem nie wieder eingeschlafen ist.

Als mein Benny starb, hatte ich lange Zeit keine Möglichkeit, selbst einen Hund zu halten, also fing ich an, ehrenamtlich im Tierheim zu arbeiten. Und wie das so ist, man bleibt dabei und irgendwann bleibt ein Hund bei einem hängen. Oder, wie in meinem Fall, zwei hintereinander.

Mein Spuk, der aus unserem Tierheim stammt, war mir von Anfang an eine große Hilfe beim Training und der Resozialisierung komplizierter Hunde mit Vorgeschichte und Special Effects. Kurz gesagt:

Er war und ist ein Traumpartner, ohne den ich mir das Training im Tierheim nicht mehr vorstellen möchte.

Leider werden unsere Hunde ja eher älter als jünger und ich fürchte, dass Spuk irgend- wann keine Lust mehr darauf haben könnte, mit mir die stetig nachrückenden Chaotenpfoten zu erziehen und vermittlungsfein zu machen. Was also Tun?

Der Gedanke an einen Zweithund kam auf und wurde immer lauter und lauter, zumal Spuk mit Welpen und Junghunden einfach genial ist und ich mir heimlich erhoffte, dass er mit mir zusammen den Junior zu einem souveränen Tierheim-Helferhund großziehen könnte.

Bisher hatte ich ja immer von Anderen nicht mehr erwünschte Hunde gehabt, und jetzt hatte ich die Idee, wenn es schon ein Welpe sein soll, der erste Welpe meines Lebens übrigens, auch bei der Rasse zu schauen, für die ich seit Teenagertagen brenne.

Nach langer Recherche und Warterei zog dann im November 2019 Captain Picard ein, der kleine Hund mit der langen Nase. Ein amerikanischer Langhaarcollie aus toller Zucht, mit arbeitender Verwandtschaft, gut sozialisiert und tiefenentspannt, also genau das Holz, aus dem der zukünftige Tierheimhelfer geschnitzt sein sollte.

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Er war ein Traumwelpe, undicht, aber echt höflich, nett und überlegt, kein bisschen aufgedreht...

Alles hätte so toll sein können, wäre nicht unserer Tierärztin beim Abhören ein Herzgeräusch auf- gefallen. Das war ein riesiger Schock!

Der Kleine war gerade mal einen Monat bei mir, keine vier Monate alt, Spuk hatte ihn adoptiert, die Arbeitskollegen und Tierheimmitarbeiter liebten ihn, und dann so eine Nachricht. Es wurde mir geraten, schnellstmöglich einen Herzultraschall machen zu lassen.

Es war kurz vor Weihnachten, einen Termin zu bekommen schien unmöglich, am letzten Tag vor den Ferien klappte es dann doch noch und wir fuhren ins Tiergesundheitszentrum, wo eine Topkardiologin sich den kleinen Plüschkerl vornahm.

Das Ergebnis: Niederschmetternd.
So ein verqueres Herz hätte sie noch nie gesehen.

Wenn überhaupt jemand was retten könnte, dann die Kardiologie in der Uniklinik Gießen. Aber ihr Rat war, den Kleinen besser direkt zurückzugeben, Kauf-Rückabwicklung wegen Sachmängeln.

Das zu hören war so schrecklich, die Erde tat sich auf, alles brach zusammen, die vielen Pläne, die ich mit dem kleinen Captain hatte, lösten sich in Nichts auf und wichen der Frage, ob er seinen ersten Geburtstag überhaupt erleben würde.

Man war sehr verständnisvoll, versprach, die gesamten Untersuchungsergebnisse nach Gießen weiter- zuleiten, damit die sich bei mir melden könnten.
Und so entließ man mich in die traurigsten Weihnachtstage, die ich jemals erlebt habe.

Es war schwer, sich über Picards viele Fortschritte zu freuen, ihm beim Wachsen und Lernen zuzu- schauen, denn über allem hing das Damoklesschwert des frühen Herztodes.

Beim Knipsen der Weihnachtsfotos fragte ich mich immer wieder wehmütig, ob der kleine Plüschpuschel nächstes Jahr zu Weihnachten überhaupt noch da sein wird, ob ich ihm „festhalten“ beibringen kann, ob es sich überhaupt lohnt, ihm den Dummysport näher zu bringen, wie alt wird er sein, wenn er umkippt?

Weihnachten kam und ging, das Jahr wechselte, der Januar schritt fort, es kam keine Antwort aus Gießen.

Ich bat darum, noch einmal die Ergebnisse hinzuschicken, vielleicht war es über die Feier- tage auch verloren gegangen... Nichts.

Ich schrieb selbst eine Mail nach der anderen hin, auch hier Schweigen.

Irgendwann schaffte ich es, telefonisch jemanden zu erreichen, und erfuhr, dass alle Mails nicht angekommen waren, da jemand, dem ich viele Dinge an den Hals wünschen möchte, die mein Karmakonto mit Anlauf ins Minus befördern würden, die Uni gehackt hat und somit kein Zugriff auf irgendwelche Online-Vorgänge möglich sei.
Ich möge die Untersuchungsergebnisse doch bitte noch einmal auf CD anfordern.

Nicht genug, dass der kleine Hund einer ungewissen Zukunft entgegen sah, nun durfte ich mich auch noch mit solchen Ärgernissen herumschlagen. Nicht gut für die Nerven, ich habe oft geweint in dieser Zeit, und dann später noch mehr, als ein Untersuchungstermin für März ausgemacht und dann plötzlich wegen Corona wieder abgesagt wurde.

Da bin ich dann auf die Barrikaden gegangen, denn der kleine Hund zeigte bei sehr plötzlicher, hastiger Belastung Symptome seines Herzfehlers: Er pumpte dann mit aufgerissener Schnauze und blauer Zunge für etwa eine Minute, danach erholte er sich und konnte weiterrennen.

Das zu sehen tat jedes Mal furchtbar weh, aber was wäre die Alternative?

Ihn nie frei laufen zu lassen?
Ihm alles verbieten, was Spaß macht?

Nein, absolut unmöglich, er soll ein tolles Leben haben, auch wenn ich weinen muss, sobald er gerannt ist.

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Nach meiner kleinen Eskalation durften wir den Termin dann doch wahrnehmen, fuhren halb legal quer durch Deutschland, um den kleinen Captain in Gießen vorzustellen, und bekamen tatsächlich einen ersten Hoffnungsschimmer:

Das Herz ist eine absolute Katastrophe, Stenose hier, vergrößerte Herzhälfte dort, Sauerstoffsättigung natürlich geringer als normal, auch ohne Belastung... Aber es besteht keine akute Lebensgefahr, eine Operation ist möglich, wird dann auch vom allerobersten Chef der Abteilung durchgeführt.

Ich bin gesetzlich versichert, mein Hund wird Privatpatient mit Chefarztbehandlung und Steichelsklaven, wenn er stationär geht.

Das, was am wichtigsten war, war die Aussage, dass bei einer gelungenen Operation gute Chancen bestehen, dass Picard ein zweistelliges Alter erreicht.

In die unendliche Erleichterung mischte sich das nächste Problem:

Wegen der Pandemie sind nur lebensnotwendige Operationen erlaubt und lebensnotwendig ist diese glücklicherweise akut nicht. Termin wäre also Ende Juli.

Bis dahin bitte den Hund lieb haben, viel knuddeln und machen lassen, was er will.
Kein Thema, das können wir.

In dieser Zeit lernte der Kleine einen Superrückruf, der fester sitzt als jedes Wort- kommando oder jeder Pfiff: Das Zuklappen des Tablettenteilers. Betablocker sollten es sein, um das Herz zu unterstützen.

Noch heute habe ich manchmal einen Kloß im Hals, wenn ich die halbe Tablette in einen winzigen Klecks Leberwurst verpacke und Picard mit leuchtenden Augen vor mir steht und sich freut, dass er jeden Morgen und jeden Abend einfach so ein Stückchen Leberwurst von mir bekommt, nur weil er so ein toller Hund ist. Er weiß den Grund nicht, ich schon, und manchmal würde ich gern das Bewusstsein mit ihm tauschen und selbst in glücklicher Unwissenheit leben.

Die Wartezeit überbrückten wir mit Arbeit, Training für die großen Aufgaben im Tierheim, ersten Social Walks mit nicht ganz so schweren Jungs und dem Kram, den man jungen Hunden halt so beibringt.

Manchmal legte sich ein Schatten über mein Herz, wenn ich an die Operation dachte, denn so eine große Herz-OP ist nun wirklich kein Pappenstiel, ganz abgesehen von der Fahrerei, denn es zeichnete sich ab, dass es unmöglich würde, in der Umgebung der Klinik zu übernachten.

Spuk und Picard waren in der Zwischenzeit die allerbesten Kumpel geworden, so eine Hundeliebe habe ich noch nie erlebt. Der Kleine betet den Boden an, auf dem sein Bruder geht, dafür lässt Spuk ihm Dinge durchgehen, die sich kein anderer Hund jemals erlauben dürfte. Sie spielen zusammen, putzen sich die Schnuten, es gibt Tage, da hocken sie sich sogar gleichzeitig zum Koten hin.

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Dann kam der Juli, der Urlaub begann, drei Wochen lang, eine Woche davon vorbereiten, bangen, den Kleinen noch extra lieb haben, denn was, wenn ich ihn dorthin bringe und nie wiedersehe?

Zusammen mit Spuk habe ich Picard dann aber doch tapfer abgegeben und mich auf eine harte Zeit eingestellt. Ich hatte keine Ahnung, wie hart sie wurde.

Abgabe Montag, Operation Dienstag gleich am frühen Morgen, ich würde einen Anruf bekommen, sobald der Patient wach sei. Aber der kam und kam nicht.

Erst abends um halb sechs klingelte endlich das Telefon.
Die Operation sei gut verlaufen, Picard sei wach, näheres am kommenden Tag.

Da kam der Zusammenbruch:
Alle die Angst, der Stress, die Traurigkeit wollten raus, ich weinte lange in Spuks Fell, der selbst ziemlich dünnhäutig war, denn sein kleiner Bruder fehlte ihm. Einen Tag lang wollte er nicht fressen, aber dann haben wir uns darauf geeinigt, dass wir Picard gemeinsam vermissen können, und er ging wieder an seinen Napf.

Ab da ging es aufwärts. Jeden Tag ein Update von der Klinik, und am Freitag dann die erlösende Nachricht: Sie können kommen und Picard abholen. Mal eben 350 km quer durchs Land, am heißesten Tag des Sommers, im schwarzen Auto über staugeplagte Autobahnen, egal, es war wie fliegen.

In der Klinik mussten natürlich erst Formalitäten erledigt werden, die Rechnung bezahlt, die Befunde besprochen, Spuk immer dabei, denn es war zu heiß, um ihn im Auto warten zu lassen.

Die Operation war gut verlaufen, die Prognose vorsichtig positiv, aus Picard werde jetzt aber kein Leistungssportler werden... Kein Problem, ich sehe auch nicht gerade aus wie eine Olympiahoffnung, egal in welcher Sportart, das passt schon.

Bevor man mir den Langnasenzwerg wieder aushändigte, wurde ich vorgewarnt, dass man leider an einer Seite ein bisschen mehr Fell wegnehmen musste, als man den Defibrillator anlegte, den jeder Herzoperations-Patient vorsorglich aufgeklebt bekommt, denn iiiiirgendwie hätte sich die Elektrode mit seinen Haaren verbunden und man habe nichts mehr machen können außer sie rauszuschneiden.

Kein Problem, das Thema ist mir nicht neu, nur dass unsere Elektroden Kletten heißen und den Kerl im Wald aus dem Hinterhalt anspringen. Gut, ich möge dann bitte noch zur Kasse gehen, man würde Picard gleich holen.

Spuk und ich standen dann wartend im Kassenraum, der durch eine Glaswand vom Flur abgetrennt war, als ich die Tierärztin mit Picard an der Leine um die Ecke kommen sah.

Spuk hatte ihn nicht gesehen, aber natürlich gehört und gerochen und fing direkt an, sehr aufgeregt und freudig zu fiepen, was den kleinen Captain zu heftigen Kläffattacken anstachelte, die wiederum Spuk, der inzwischen kurz davor war, durch den Kaffeewagen zu klettern und sich gegen die Scheibe zu werfen, zu lautstarkem Jaulen bewegte.

Picard antwortete mit seinem patentierten Wolfsgeheul und nun wusste die gesamte Klinik, dass diese zwei Hunde einander ganz furchtbar dringend wiedersehen wollten.

Die Mitarbeiterin an der Kasse beeilte sich ob des ohrenbetäubenden Tumults nun auch endlich, und ein paar Minuten später schleiften die Tierärztin und ich jeweils einen heulenden, fiependen, hüpfenden Hund nach draußen, um sie endlich zueinander zu lassen.

Die Wiedersehensfreude war herzzerreißend riesig, die Jungs sprangen, hüpften, knutschten sich ab, ich war ebenso abgemeldet wie die Tierärztin, die Picards Leine festhielt. Erst als wir mein Auto erreichten und ich Picard hineinhob, nahm er mich auch endlich zur Kenntnis und strahlte mir ins Gesicht.

Der kleine Sonnenschein hatte in seinem ganzen Leben noch keinen Tag lang schlechte Laune, und das hat er auch an diesem Tag durchgehalten:

Frisch aus der Klinik entlassen, die Punktierungswunden in der Leiste rot und gereizt, die Brust auf beiden Seiten rasiert und aus Gründen, die ich bis heute nicht verstanden habe, der halbe Hintern kahl geschnippelt, drei Tage nach einer Herzoperation und dieses kleine Wunder sitzt auf der Rückbank meines Autos und grinst mich an, als sei dies der geilste Tag seines Lebens.

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Muss ich erwähnen, dass ich wieder geheult habe?

Die Rückfahrt war sehr anstrengend, es war noch heiß, die Sonne brannte und blendete, so dass wir mehrere Pausen machen mussten, schlafen im Auto, den echten Wachhund in der Kofferraumbox, den Noch Nicht- Wachhund neben mir auf dem flach gelegten Fahrersitz, nicht erholsam, aber unglaublich beglückend.

Das ist nun schon fast fünf Monate her, die Haare sind längst nachgewachsen, es blitzt mir kein schweinchenrosafarbener Hoden mehr entgegen, wenn Picard vor mir läuft; lang- sam kriegt er auch Winterfell.

Wir werden noch zweimal zur Kontrolle nach Gießen fahren, aber es sieht sehr gut aus.

Außer Atem ist er noch, wenn er seine fünf Minuten bekommt und total bekloppt allein oder mit Spuk über die Wiese rast, aber bei normalen Rennspielen, beim Rückruf oder beim Toben zu Hause merkt man ihm nichts an. Auch die Erholungsphase, wenn er mal atemlos wird, ist wesentlich kürzer geworden.

Langsam kommt die Normalität, der Gedanke, wie lang ich den Nasenzwerg wohl haben werde, überschattet nicht mehr die meisten unserer glücklichen Momente. Im August haben wir seinen ersten Geburtstag groß gefeiert, mit Partyhütchen und Geschenken und einem peinlichen Foto.

Picard ist nun ein Pubertier.
Frech, vorwitzig, hat nur noch Mädchen im Kopf, aber er ist unglaublich charmant dabei. Dummytraining macht er jetzt auch, er liebt es und brennt dafür.

Seinen Job im Tierheim macht er wunderbar.

Neulich war er zum ersten Mal ohne Leine dabei, als ich mit einem sehr schweren Jungen Gassi war. Meine Begleitung hatte weiche Knie, aber ich wusste, er kann das. Und wie er konnte.

Er hat es gerockt, hat wunderbar auf den Chaotenhund reagiert, ist Bögen gelaufen und ließ sich von mir mit winzigen Gesten anleiten.

Dieser kleine Hund wird mir eines Tages eine große Hilfe bei der Tierheimarbeit sein. Er hat das im Blut, dieses Gespür für die komplizierten Hunde, und er hat den besten Lehrer, den man sich wünschen kann.

Und er hat endlich ein Leben vor sich.

Captain Picard stammt zwar nicht aus dem Tierschutz, ist aber ein Tierschutz-Assist- enzhund in Ausbildung und daher auch Teil des Adventskalenders.

Erst letzte Woche hat er wieder bewiesen, wie toll er seinen Job schon macht.

Es war das erstes Mal Gassigehen mit Topi bei dem Picard frei lief.
Nicht sehr lange, denn es ist anstrengend für ihn, aber er hat gut reagiert, sich von mir mit kleinen Gesten lenken lassen und sich super zurückgenommen.

Er wird mal ein richtig toller Assistent!

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14.12.2020

16.12.2020


weihnachtstiere

Oder einen Gutschein über einen Tierheimbesuch im neuen Jahr!

Niemals ein Tier verschenken, ohne zuvor gefragt zu haben, ob es erwünscht ist!!
Und niemals ein Tier für jemand anderen aussuchen - Die “Chemie” muss stimmen!

Eltern sollten sich immer bewusst sein, dass SIE die letztendliche Verantwortung für ein Tier haben und nicht das Kind - Egal ob Hund, Katze oder Meerschweinchen und egal, was man vorher sagt!!

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