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Shasha

Der Wahnsinn einer Züchtung

Eigentlich wollte ich nie eine Rassekatze und schon gar keine Perser. Irgendwie hatte ich Vorurteile, ich hielt sie für kapriziös und zickig.

Dann wehte mir das Schicksal meinen ersten Perser-Mann ins Haus. Er kam aus dem Tierschutz und hatte das typische Qualzuchtgesicht.

Durch ihn lernte ich nicht nur das bezaubernde Wesen dieser Tiere kennen, sondern auch, wie sehr sie durch das eingedellte Gesicht behindet sind und welche Pflege sie brauchen.

2008 war ein Plätzchen für eine Mieze bei uns frei und da mein Partner und ich mittlerweile recht erfahren waren, was die besondere Pflege von Perserkatzen angeht, entschlossen wir uns, eine zweite Perser bei uns aufzunehmen.

Ich durchforstete die entsprechenden Seiten im Internet und stiess auf Shasha:

Eine rothaarige Exotic Shorthair, quasi eine Perserin mit dem typischen Qualzuchtgesicht, allerdings kurzhaarig.

"Fein", freute ich mich, zumindest die Fellpflege wird einfacher.
Das war, wie sich später herausstellte, ein böser Irrtum.

Auf den Bildern der Tierschutzseite war zu erkennen, dass ihre Augen arg tränten. Sie war in Malaga ausgesetzt worden, der TA hatte einen Pilz auf der Zunge diagnostiziert, der fast ausgeheilt war, ein Auge war trüb.

Uns war klar, dass einige Tierarztbesuche fällig sein würden, was der vermittelnde Verein ehrlich bestätigte. In Spanien fehlten die finanziellen Möglichkeiten, um sie entsprechend zu behandeln.
Wir fühlten uns gewappnet und adoptierten sie.

Schon als wir sie am Flughafen von den Flugpaten übernahmen, ahnten wir, dass hier eine besondere Aufgabe auf uns wartet.

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Bevor ich sie in unseren Transportkorb setzte, versuchte ich, ihre schrecklich verklebten Augen etwas zu reinigen, was sie geduldig über sich ergehen liess. Dabei stellte ich fest, dass ihr kurzes Fell verfilzt war - soweit zum Thema leichte Fellpflege.

Zuhause stieg sie zutraulich aus der Transportbox, frass und trank ein bisschen und schlief danach erschöpft ein. Sie schlief die nächsten Tage mit kurzen Pausen durch.

Zuerst machte uns das keine Sorgen, das kannten wir von unseren anderen Tierheimtieren.
Als sie jedoch nach einer Woche immer noch sehr träge war, brachten wir sie zu unserem Tierarzt.

Unser Tierarzt schaute erschüttert auf Shashas Gesicht und meinte, dass er noch nie so ein extremes Qualzuchtgesicht gesehen hätte.

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Er untersuchte sie gründlich und feuerte dann seine Diagnosen ab:

Die Nasenlöcher waren so klein, dass Shasha unglaublich Mühe hatte, zu atmen. Sein Vorschlag war eine operative Vergrösserung der Nasenlöcher.

Beim trüben Auge könnte man in derselben Operation das dritte Augenlid zunähen, um eine Heilung zu ermöglichen - es war eine Wunde auf der Hornhaut, die mit dem blossen Auge nicht sichtbar war. Das Auge würde zwar trotzdem trüb bleiben, aber die Wunde könnte heilen.

Ganz böse war jedoch, dass Shasha mit dem Herpesvirus infiziert war und sich bei ihr der Katzen- schnupfen chronifiziert hatte. Das erklärte die tränenden Augen.
Schlimmer noch war aber, dass ihre Zunge durch den Virus angegriffen war. Die Zunge war entzündet und musste höllische Schmerzen verursachen.

Zwei Tage später wurde Shasha operiert. Die Nasenlöcher wurden vergrössert, das Auge zugenäht.
Gegen den Virus empfahl uns der Tierarzt die Aminosäure Lysin, die verhindert, dass sich die Herpesviren an gesunde Zellen andocken können.
Gleichzeitig wurde Shasha geschoren, damit ihre Haut wieder Luft bekam.

Shasha war unendlich geduldig, sie brauchte noch nicht mal einen Trichter, da sie weder an die Naht am Auge ging noch an die Naht an den Nasenlöchern.

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Vierzehn Tage später wurden alle Fäden gezogen und Shasha blühte auf. Sie erkundete den Garten, begann zu spielen und fühlte sich wohl.

Wir gaben weiterhin das Lysin, das hielt die Viren im Griff. Trotzdem hatte Shasha ihre Probleme:

Durch die platte Nase fiel ihr das Fressen schwer.
Trockenfutter konnte sie sich nur ins Mäulchen balancieren, indem sie es an den Rand des Napfes schob und von da aus ins Schnäuzchen.
Sich selbst sauber zu halten ging gar nicht, denn einer- seits konnte sie sich kaum selbst putzen, andererseits sabberte sie durch ihre Gesichtsanatomie.

Wir bemühten uns, sie sauber zu halten, aber sie war immer unsere kleine Schmuddeline.
Es ging ihr trotzdem gut, sie hatte trotz der Einschränkungen ein richtig schönes Leben und sie zeigte, dass sie es genoss.

Bei der Fellpflege schmiss ich allerdings bald das Handtuch:
Ihre Haare waren einerseits zu kurz, um sie zu kämmen, andererseits so fein, dass selbst die kurzen Haare schnell verfilzten. Also schnitt ich immer nur die Knoten raus, was sie ein bisschen so aussehen liess, als ob sie unter einen Rasenmäher gekommen wäre.

Drei Jahr später zogen wir von der Schweiz nach Luxemburg.
Ein schöner Garten wartete auf unsere Tiere; leider gelang es uns jedoch nicht, den Garten katzensicher einzuzäunen. Unsere Miezen fanden trotz aller Mühe Schlupflöcher und auch Shasha erkundete das Dorf. Das war nicht wirklich tragisch, denn es gab in unserer Strasse kaum Strassenverkehr.

Wir wohnten fünf Monate im Dorf, als eine Dorfbewohnerin bei uns klingelte:
Shasha wäre in ihrem Garten aufgelaufen.

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Die Dorfbewohnerin war selbst Perserzüchterin und etwas ungehalten, dass Shasha so zerrupft aussah und nach draussen durfte. Perser wären nur für Wohnungshaltung geeignet. Ausserdem wäre Shasha krank, sie sabbere.

Ich erklärte ihr, dass Shasha gerne draussen ist, wir um ihre chronische Viruserkrankung wüssten und holte Shasha bei ihr ab.

Die Dorfbewohnerin hatte Shasha gefüttert. Ich bat sie, das nicht mehr zu machen, da Shasha spezielles Futter und Medikamente braucht.

Ein paar Tage später war Shasha verschwunden.
Wir suchten sie, hängten Flyer auf, ich fragte bei der Dorfbewohnerin nach, aber es gab keine Spur von Shasha.
Erst drei Monate später tauchte sie wieder auf, in erbärmlichen Zustand, abgemagert. Dadurch, dass sie das Lysin nicht bekommen hatte, war der Herpesvirus wieder voll ausgebrochen.
Verfilzt war sie auch.

Wir brachten sie zum Tierarzt, der verschrieb Antibiotika, schor die Verfilzungen raus und wir päppelten sie. Nach zwei Wochen ging es ihr besser, sie ging wieder in den Garten und verschwand drei Tage später.

Wieder fragten wir im Dorf, hängten Flyer auf und hofften.
Aber Shasha blieb wie vom Erdboden verschluckt.

Acht Monate später war Shasha immer noch verschwunden und wir hatten keine Hoffnung mehr, dass wir sie je wiedersehen würden. Inzwischen hatten wir ein Haus gekauft, den Garten mit einem Spezialzaun katzensicher eingezäunt und zogen im Juli 2013 um.

Eine Woche nach unserem Umzug riefen uns unsere ehemaligen Catsitter aus unserem vorherigen Wohnort an:

Die Dorfbewohnerin, die damals Shasha gefüttert hatte, hatte erzählt, sie hätte eine rote Perserin aufgenommen. Mein Mann fuhr sofort los, um zu schauen, ob es Shasha ist und sie heimzubringen.
Die Dorfbewohnerin gab zu, dass es sich um Shasha handelt.
Allerdings wäre Shasha in der Tierklinik, weil sie verletzt sei. Sie würde am nächsten Tag operiert werden und dann könne sie sie wieder abholen.

Ich kontaktierte sofort die Klinik, erklärte, dass unsere Shasha bei ihnen sei und dass wir sie gerne am nächsten Tag abholen würden. Daraufhin wurde ich mit der Chefin der Klinik verbunden und wiederholte mein Anliegen.
Die meinte, dass erst einmal geprüft werden müsse, ob unser Verhalten tierschutzrelevant sei und dass sie Shasha sicher nicht herausgibt.

Auf mein fassungsloses Nachfragen erklärte sie, dass die Dorfbewohnerin behauptet hat, wir wären schon vor Monaten umgezogen und hätten Shasha sich selbst überlassen.
Wir vereinbarten einen Gesprächstermin am selben Tag, zu dem auch mein Mann kam.
Die Chefin sah sich unsere Unterlagen an, unter anderem auch die Umzugsmeldung und schrieb ohne weiteren Kommentar Shasha auf uns um.

Dann durften wir Shasha sehen - Es war grausam:

Ein grosses Loch erstreckte sich über ihre Flanke, in dem sich Fliegenmaden eingenistet hatten.
Die Tierärztin hatte die Wunde mehrfach gespült; genäht werden konnte sie noch nicht, weil die Entzündung noch zu heftig war. Ursprünglich war es wohl eine kleine Wunde, aber dann waren die Maden gekommen...

Schlimmer noch war, dass der Virus wieder voll ausgebrochen war. Die Zunge war eine einzige Wunde, die Augen schlimm verklebt.

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Wir erklärten der Tierärztin, welche Medikamente bei dem Virusbefall helfen. Sie stellte uns anheim, Shasha zu einem Tierarzt unserer Wahl zu bringen. Wir baten sie aber, Shasha weiter zu behandeln.
Durch ihr sachliches und seriöses Handeln hatte sie unser Herz gewonnen.

Eine Woche später konnte Shasha endlich operiert werden und einen Tag später durften wir sie heim holen. Die Naht erstreckte sich über den halben Körper.

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Shasha war sehr schwach, frass kaum und hatte Schwierigkeiten zu trinken. Die Tierärztin meinte trotzdem, dass wir sie besser pflegen können.

Ganz langsam erholte sich Shasha - zuerst bekam sie 7 Medikamente täglich und sie war schlief fast nur. Wenn sie aufstand, war sie so wackelig, dass wir überlegten, ob wir sie nicht quälen. Zumal es für sie unglaublich schwierig war, zu trinken. Damit sie nicht dehydrierte, mussten wir sie mit Infusionen unterstützen.

Aber es ging aufwärts, jeden Tag ein bisschen mehr. Nach 14 Tagen wurden die Fäden gezogen, die Naht sah super aus. Eine Woche später waren alle Medikamente ausgeschlichen und Shasha erkundete den Garten.

Shasha wird nie eine normale Katze sein.
Sie braucht täglich ihr Lysin und wir müssen genau beobachten, wann sich ein Rückfall anbahnt.
Dann müssen wir die Dosis erhöhen.

Fressen wird immer schwierig für sie sein.
Nassfutter müssen wir ihr so servieren, dass sie einen Berg vor sich hat, an dem sie lecken kann. Was bedeutet, dass wir dabei neben ihr sitzen und mit dem Löffel das Nassfutter immer wieder aufhäufen müssen.

Wir müssen sie jeden Tag waschen, was sie hasst. Das zeigt sie sehr deutlich, indem sie die Krallen einsetzt. Folglich sieht sie nicht so gepflegt aus, wie ich es gerne hätte, aber wir haben immerhin eine Art Kompromiss gefunden.

Zweimal am Tag braucht sie ihr Lysin und das hasst sie auch. Dabei haben wir extra eine spezielle Paste, die nach Fisch schmeckt und natürlich teuer ist. Auch wenn wir ihr danach das Gesicht mit einem feuchten Tuch reinigen, müffelt sie immer nach Fisch.

Aber es sind nur 20 Minuten von 24 Stunden am Tag, die sie hasst. Den Rest fühlt sie sich wohl und darum muss sie halt durch die unangenehmen 20 Minuten am Tag durch.

Wir lieben unsere kleine Schmuddeline, auch wenn die Tierarztkosten heftig sind und die Pflege aufwendig ist.

Sie ist trotz ihrer Behinderungen eine liebenswerte, charmante, witzige Katze, die gerne kuschelt und sehr empört gucken kann, wenn etwas nicht nach ihrem Geschmack ist.

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Es ist so schön zu sehen, wenn sie sich ihr Sonnenplätzchen im Garten sucht, einer Fliege nachjagt oder ganz entspannt in einer Kuschelhöhle schläft.

Ich werde allerdings nie verstehen, wieso es Menschen gibt, die "Shashas" züchten und noch weniger, wieso es Menschen gibt, die eine derartige Qualzucht durch ihren Kauf unterstützen.
Bei uns leben mittlerweile 4 Perser aus dem Tierschutz.
Ich nehme an, dass sie alle im Tierschutz gelandet sind, weil die Vorbesitzer feststellten, wie pflegeintensiv sie sind und darauf keine Lust mehr hatten.

Wir sind so froh, dass Shasha wieder bei uns ist, unsere kleine Schmuddeline...

Nachtrag 11.11.2013

Shasha ist nach einer akuten Krise gestern friedlich zur Regenbogenbrücke gegangen. :-(

Die Tierärztin hatte bei ihr noch eine knubbelige Niere mit einer heftigen Umfangsver- mehrung durch Tastbefund festgestellt und es stand der Verdacht auf PKD, einer typischen Perser-Erkrankung, die zu chronischem oder akutem Nierenversagen führt, im Raum.
http://de.wikipedia.org/wiki/PKD_der_Katze

Wie der Calicivirus kann auch die PKD zu entzündeten Schleimhäuten im Maul führen; als diese Krankheit nun plötzlich wohl auch noch ausbrach, war dies für Shasha zuviel...

Die arme Shasha war von Geburt an ein Dauerfall für den Tierarzt.
Und das nur, weil es "Katzenliebhaber" gibt, die diese platten Gesichter klasse finden...

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12.12.2013

14.12.2013


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Niemals ein Tier verschenken, ohne zuvor gefragt zu haben, ob es erwünscht ist!!
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