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Ödi

Die unsichtbare Senta habe ich Euch bereits vorgestellt. Der zweite unsichtbare Hund in meinem Leben ist klein, braun und niedlich.

Er sieht aus wie ein zu breit gebauter Dackel mit Fledermausohren und einer Stupsnase, und eigentlich müsste jeder Besucher sich spontan in ihn verlieben.

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Doch jeder, der ihn anschaut und nach seinem Namen fragt, verliert sofort das Interesse, sobald er erfährt, dass der kleine Braune beißt. Es ist, als hätte er eine ansteckende Krankheit, denn wann immer sein Schicksal zur Sprache kommt, wenden sich die Blicke ab und die Besucher weichen vom Gitter zurück, weiter, als sie einem Tiger im Zoo ausweichen würden.

Auch diesen unsichtbaren Hund habe ich entdeckt, weil ich genau hinsehe, die scheinbar leeren Zwinger betrachte, bis ich die Bewohner finde.

Zunächst freundeten wir uns aus der Ferne an, und irgendwann kam er mir immer näher, suchte meinen Kontakt und legte sich direkt an meinen Rücken, wenn ich, gegen das Gitter gelehnt, im Zwinger meines silbrigen Schattenhundes saß.
Besonders im Winter war das sehr angenehm, denn einen kleinen, wurstförmigen und warmen, atmenden Rückenwärmer hat nicht jeder. Die Schattenhündin wärmte meine Finger mit ihren samtigen Ohren, und an meinem Rücken strahlte der unsichtbare Kleinhund Hitze aus.

Wer kann da noch frieren, selbst im tiefsten Winter?

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Als Dank für seine Wärme erhielt der kleine Ödi, dessen Namen jeder sofort wieder vergisst, sobald sein Schicksal ausgesprochen wurde, Leckereien von mir, die ich von denen des Schattenhundes abzweigte, und wenn er es wünschte, auch Streicheleinheiten.
Hinter seinen Fledermausohren wird er besonders gern gekrault, aber das weiß kaum jemand, denn die meisten Menschen denken, er würde ihnen die Finger abbeißen, wenn sie ihm zu nahe kommen.

Ich verstehe das, denn es ist schwierig, unsichtbare Hunde mit erschreckender Vergangenheit zu lesen, und der kleine Ödi hat nie gelernt, zu knurren.
Für diejenigen, die genau hinsehen, ist es leicht, einen bevorstehenden Ausraster zu erkennen, denn der Blick in seinen frechen, braunen Kulleraugen verändert sich, verrutscht auf eine kaum zu beschreibende Weise, und sein kleiner Körper wird steif. Dann ist es Zeit, die Finger wegzunehmen.

Wer das berücksichtigt, kann eine innige Freundschaft mit ihm anknüpfen.
Das haben wir getan, meine Freundin und ich. Wir haben uns angefreundet mit dem kleinen „Beißer“, der eigentlich gar nicht beißt, sondern nur warnend und drohend schnappt, wenn ihm etwas nicht gefällt. Mich hat er ein einziges Mal verwarnt, aber meine Finger hatten kein noch so winziges Loch.

Als ihr geliebter Schmusewolf in ein neues Zuhause zog, war meine Freundin zunächst am Boden zerstört, doch dann kam eine unerwartete und glückliche Wende:
Sie sollte sich um Ödi, den unsichtbaren Schnapper, kümmern.

Da sich der Kleine aufgrund seiner unerfreulichen Vergangenheit nicht anleinen ließ, mussten wir das zunächst auf dem Hof hinter dem hohen Zaun üben, bevor wir das große Tor mit ihm passieren konnten. Es dauerte keine zwei Tage, da stand der Zwerg ruhig vor meiner Freundin, wenn sie sich tief hinunterkauerte, um die Leine an seinem Halsband zu befestigen.

Er war nicht begeistert – was ich auch nicht wäre, wenn man versucht hätte, mich zu strangulieren und nun wieder einer kommt, der mir an den Hals will -, ließ es aber ergeben über sich ergehen. Schon nach dem fünften Spaziergang stand er jedoch freudig wedelnd vor meiner Freundin und präsentierte ihr mit erhobenem Kopf das Halsband, um sich endlich auf den Weg machen zu können.

Gemeinsam mit  unsichtbaren Hündin erkundete Ödi nun die Welt, und es dauerte nicht lange, da gehörte sie ihm meinerganz allein. Zwar fürchtete er sich zunächst vor lauten Fahrzeugen und fremden Menschen, doch nachdem Senta ihn dafür einige Male herzhaft ausgelacht hatte, nahm er sich zusammen und wurde mutiger.

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Leider ist Ödi nicht auf den ersten Blick unsichtbar. Wie ich schon erwähnte, sieht er zum Verlieben aus, und das schienen besonders die älteren Menschen zu finden, denen wir im Wald begegneten.

Es war ein hartes Stück Arbeit, all die Senioren zu blocken, die den im Boden versinkenden Kleinhund unbedingt betatschen wollten, und ihn vor ihren Augen wieder unsichtbar zu machen. Nicht einmal die magischen Worte „Der beißt!“, die sonst einen sofortigen Rückzug zur Folge haben, wollten bei der älteren Generation fruchten.

Die meisten gaben zur Antwort, ein so niedlicher Hund könne doch nicht beißen, und während meine Freundin ihren verängstigten Zwerg zu beruhigen versuchte, baute ich mich mehr als einmal vor einem älteren Menschen auf und erklärte ihm mit sehr deutlichen und nicht gerade freundlichen Worten, dass er seine Finger bei sich zu behalten hätte, wenn er sie nicht verlieren wolle. Erst dann wurden die Störenfriede blass und Ödi wieder unsichtbar, und wir hatten unsere Ruhe.

Auch der kleine Ödi drohte uns zu verlassen, weil sein Heim schließen muss, und als „bissigem“ Hund hätte ihm früher oder später der Tod gedroht. Ebenso wie ich entschloss sich meine mutige Freundin, es mit der Bestie aufzunehmen und ihren Pflegling zu sich zu holen.

Die Bestie war in dem Fall jedoch nicht Ödi, sondern ein Berg von Widrigkeiten, die sie aus dem Weg zu räumen hatte, angefangen bei ihren Eltern, die zustimmen mussten, bis zu ihrem eigenen Kleinhund, von mir liebevoll „Terrorfluse“ genannt, ganz und gar nicht unsichtbar und niedlich bis zur Aufdringlichkeit, mit dem sich Ödi vertragen musste.

Wir machten Spaziergänge mit beiden und stellten nicht nur fest, dass Ödi und der Flausch sich offenbar ganz sympathisch sind, sondern auch, dass der notorisch Niedliche ein echter Trumpf ist, wenn wir Ödi unsichtbar halten wollen:
Jeder, der beide Hunde sieht, verfällt sofort dem plüschigen Charme der Terrorfluse, die alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, und übersieht schön brav ihren Begleiter, den fledermausohrigen Möchtegern-Dackel, der sich lieber im Hintergrund hält.

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Nun, da auch dieser nicht mehr so ganz aber lieber doch unsichtbare Hund gerettet ist, möchte ich gern eine Lanze für alle unsichtbaren Hunde brechen, die irgendwo in Heimen warten, von denen die Blicke der Besucher abgleiten wie von Teflon, entweder, weil sie alt, schwarz, narbig oder ängstlich sind oder weil ihre Vorgeschichte von ihrem charmanten Äußeren ablenkt und zur Unsichtbarkeit verdammt.

Sie sind die wahren ungeschliffenen Diamanten, die in den Tierheimen dieser Welt verbleiben, weil es immer die bunten, jungen, freudigen und charmanten Hunde neben ihnen gibt, die alle Blicke auf sich ziehen.

Wenn man jedoch genau hinschaut, kann man in so manchem scheinbar leeren Zwinger doch noch einen Bewohner ausmachen, einen unsichtbaren Hund, der sich seiner Umgebung angepasst hat wie ein Chamäleon.

Manche verrät ein Schatten, der sich in der Ecke bewegt, manche ein halb geleerter Futternapf oder eine eingedrückte Decke, und es ist leicht, sie zu übersehen. Wer sich jedoch die Zeit nimmt, nach ihnen Ausschau zu halten, der wird sie finden, und wer sie einmal bemerkt hat, dem fallen nach und nach die schönen, liebenswerten Eigenschaften dieser Hunde auf, die es unmöglich machen, sie jemals wieder zu übersehen.

Ich bin froh, dass ich genau hingeschaut habe, und meine Freundin ist es auch, denn so haben wir Schätze gehoben, die kein Anderer gefunden hat:

Eine unsichtbare Hündin mit einem sichtbaren Lächeln und einen nicht ganz unsichtbaren Hund, den wir hinter einem Charmeur verstecken müssen.

11.12.2013

13.12.2013


weihnachtstiere

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