Eine Forenfreundin stellte ein paar Bilder eines abgemagerten Hundes ein und fragte, ob sie über- reagiere, oder ob das wirklich ein Fall für den Amtsveterinär sei.
Wir waren alle ihrer Meinung, und so wurde sie aktiv. Die Amtsveterinärin fand die Bilder auch schlimm genug, um den Platz umgehend zu kontrollieren, und sie nahm die Hündin dann gleich mit und brachte sie ins Tierheim.
Eine alte Schäferhundmixhündin, 15 Jahre alt nach Angaben der Vorbesitzer. Das ließ ihre baldige Vermittlung einigermaßen fraglich erscheinen, und da ich sie nun schon „kannte“, mochte ich das nicht so stehen lassen.
Zufällig kannte ich in einem anderen Forum eine Mitarbeiterin des betreffenden Tierheims. Ich nahm mit ihr Kontakt auf, und schon wenige Tage später schlugen wir mit unseren Hunden dort zu einem gemeinsamen Probespaziergang mit der alten Susi auf. Dabei interessierten sich die Hunde null für einander, und für den Anfang reichte uns das.
Wir nahmen sie gleich mit, und aus Susi wurde Sue.
Als sie erst mal ein wenig zugenommen hatte und man auf ihren Knochen nicht mehr Klavier spielen konnte, wurde sie ein richtig schöner Hund, fand ich.
Ihr Sozialverhalten gegenüber meinen Hunden ließ nichts zu wünschen übrig.
Zunächst lebte man noch ein wenig nebeneinander her, aber von Anfang an gab es keinerlei Spannungen oder Unfreundlichkeiten, und bald ging Sue sogar auf Hellas Spielaufforderungen ein und spielte begeistert mit. Ganz erstaunlich für so einen alten Hund.
Und das ging noch über ein Jahr so. Erst in ihrem letzten Jahr mussten wir das irgendwann zu ihrem Schutz unterbinden, weil sie nicht mehr standfest genug für Hellas Art zu spielen war. Manchmal überkugelte sie sich dann fast unter Hellas Ansturm, so dass ich Angst hatte, sie könnte sich verletzen.
Mit anderen Hunden war sie zu meiner großen Überraschung keineswegs verträglich. Das zeigte sie gleich bei der ersten Begegnung nach wenigen Tagen.
Ich ließ sie zusammen mit meinen Hunden zu dem uns bekannten Hund hin, und ohne Vertun ging sie ihm an den Hals. Da sie natürlich angeleint war, passierte nicht wirklich was, aber sie hatte es durchaus ernst gemeint und zeigte diese Intention von da an bei allen Hundebegegnungen.
Ich schaffte es bis zuletzt nicht, ihr das abzugewöhnen, ich konnte es nur managen. Am schlimmsten war es, wenn meine Hunde sich mit den „Fremden“ abgaben oder gar mit ihnen spielten. Dann rastete sie völlig aus.
Ob sie mit diesem Verhalten ihr neu gewonnenes „Rudel“ gegen fremde Hunde abschirmen, gar beschützen wollte?
Oder ob es einfach eingespieltes Verhalten eines Hundes war, der lange Jahre andere Hunde zur an „seinem“ Zaun getroffen hatte?
Ich weiß es nicht.
Auch die Zusammenführung mit unseren Katzen verlief nicht ganz reibungslos. Sue war zunächst hochgradig interessiert, und zwar auf eine etwas übergriffige und für die Katzen beunruhigende Art.
Der coole hundefeste Kater Fritz hielt dem stand, egal wie Sue ihn bedrängte,
und innerhalb kurzer Zeit ging Sue gelassener und schließlich ganz selbstverständlich mit ihm um.
Katze Fee aber machte einmal den Fehler, davon zu laufen, und von da an wollte Sue sie wirklich jagen, und das über einen langen Zeitraum. Zeitweise installierte ich beim Hundekorb sogar eine Anbinde- vorrichtung für Sue, damit Fee sich im Haus überhaupt bewegen konnte.
Erst im Verlauf des nächsten Winters, als Fee dann doch wieder viel im Haus war, trat schließlich eine Gewöhnung ein, und nach diesem Winter, also insgesamt nach ungefähr einem Jahr, normalisierte sich auch diese Beziehung.
Sue war für ihr Alter ganz erstaunlich fit. Sie war ja, wie wir erfahren hatten, zumindest in den letzten Jahren nicht mehr vom Grundstück gekommen.
Sie hatte also viel nachzuholen, und das tat sie auch. Ich sehe sie noch vor mir, wie sie unterwegs alles gierig in sich aufsog, was sich ihren Sinnen bot. Immer war sie dabei am vorderen Ende der Leine, immer unter Strom, hellwach und interessiert, und kein Spaziergang war ihr zu lang. Ohne die geringsten Probleme ging sie zweistündige Spaziergänge mit, noch weit über ein Jahr lang.
Sie war mit Abstand unsere Älteste, aber bis in ihr 17. Lebensjahr trotzdem die Agilste. Sie war ein Phänomen. Natürlich merkte man ihr das Alter an, aber sie war wach und interessiert, und sie war taff.
Zwei Jahre blieb sie uns erhalten, und sie genoss ihr Leben, einschließlich zweier Urlaube, in die sie noch mit uns fuhr.
Erst in ihrem letzten halben Jahr baute sie merklich ab. Und am Ende ging es ganz schnell.
Sie bekam schwere Krampfanfälle, in kurzen Abständen, so dass wir sie am zweiten Tag gehen lassen mussten. Sie verließ uns damit fast so plötzlich, wie sie gekommen war.
Sue war mein ältester Hund bisher. Sie kam als Älteste, und sie wurde am ältesten. Wenn ich anfangs dachte, ihr einen Gnadenbrotplatz zu bieten, belehrte sie mich schnell eines Besseren.
Es war eine gute und auch interessante Zeit mit ihr. Es ist nie zu spät für einen alten Hund, noch einmal aufzublühen, wenn man ihm die Chance gibt.
Sue war einer der Hunde, die mir das bewiesen haben.
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