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Rico

Im April 2011 musste unser Kurti seine letzte Reise antreten. Gerade mal knapp zwei Jahren durfte ich mich von diesem wundervollen Hundeopi verzaubern lassen, sein Abschied hat mich schwer getroffen. Daher beschloss ich, gar nicht erst darüber nachzudenken, ob und wann der Seniorenplatz bei uns wieder besetzt wird.

Ich hatte so gehofft, dass ich irgendwann lerne, besser damit umgehen zu können, dass die Zeit mit meinen golden Oldies nur sehr begrenzt ist, aber ich erlebe, dass es mit jedem Verlust immer schwerer wird, sie gehen zu lassen. Deshalb brauchte ich eine Auszeit, obwohl ich wusste, dass sich diese auch nicht wirklich gut anfühlen würde.

Rico kannte ich schon lange aus dem Tierheim. Er wurde zusammen mit dem Sperrmüll beim Auszug seines Besitzers in der Wohnung zurück gelassen. Wie lange er dort auf seine Rettung warten musste, weiss niemand.

Rico hat einen Chip aus Spanien, der darauf hinweist, dass das nicht die erste missliche Situation war, in der er sich befunden hatte. So erklärt sich vielleicht auch, weshalb Rico beim Einzug ins Tierheim niemanden an sich heranlassen wollte. Er war voller Skepsis und Misstrauen und schien gelernt zu haben, dass er sich knurrend und Zähne fletschend alle fern halten konnte.

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Die Gassigängerin Helena nahm sich wochenlang Zeit und vor allem viel Geduld, damit er wenigstens ihre Nähe ertragen konnte und so wurde  sie für ihn zu einer wichtigen Bezugsperson. Die Zwei sind in den folgenden zwei Jahren im Tierheim eng zusammen gewachsen, während er Fremde nach wie vor ungern bis gar nicht in seiner Nähe duldete.

Bei unseren Besuchen im Tierheim bin ich jedes Mal an Ricos Zwinger und er hat mir eben so oft zu verstehen gegeben, dass er auf meinen Besuch sehr gut verzichten kann. So, wie er eben jeden Besucher des Tierheims gleich angebrüllt hat, er solle vor seinem Zwinger verschwinden... und so saß der kleine Kerl dort Monat für Monat, ganze zwei Jahre lang.

Im Juni 2011 erfuhr ich dann von einer benachbarten Gassigängerin, dass es Rico gesundheitlich sehr schlecht ging. Er hatte Probleme mit der Lunge und dem Herzen, was ein inzwischen 12-jähriger Hund ohnehin nicht so einfach weg steckt. Dazu noch der Tierheimstress, wirklich Ruhe zur Genesung findet ein angezählter Hund dort natürlich nicht.

Ich war aber noch viel zu sehr damit beschäftigt, meine eigenen Wunden zu lecken und so tat es mir einfach nur leid, dass der kleine grätzige Kerl im Tierheim immer noch niemanden gefunden hatte, der es mit ihm aufnehmen wollte. Aber wie schon bei Kurti klingelte dann kurz darauf das Schicksal in Form von Karola G. vom Tierschutzverein Groß- Dortmund per Telefon bei mir an.

Rico hätte nun schon fast 3 kg seiner ehemals 10 kg abgenommen, es sähe nicht gut aus für ihn. Sie wisse, dass ich noch immer unter dem Verlust von Kurti leiden würde... ja, und eigentlich wisse sie auch nicht, weshalb sie nun gerade mich angerufen hätte... Ich meine ja, ich hätte sie an der Stelle abwartend durchs Telefon grinsen sehen. Tja, das wüsste ich dann auch nicht, habe ich geantwortet, und wann wir uns denn im Tierheim treffen sollten...

Wenn man sich so gut kennt, braucht es nicht mehr viele Worte.

Es war eigentlich kein guter Zeitpunkt für einen neuen Hund und so mussten wir Einiges klären. Vor allem stand noch nicht fest, ob ich nicht schon sehr bald wieder ins Krankenhaus musste und wenn ich ausgerechnet dann einen Hund aufnehme, der sich nicht einmal von jedem anfassen lässt, ohne sein schrömmeliges Gebiss zu entblößen, hätte ich ein dickes Problem bekommen. Aber das löste sich schnell.

Seine Gassigängerin Helena versicherte mir, ihn in solchen Fällen gern zu betreuen. Sie hätte ihn ohnehin am liebsten selbst übernommen, aber in ihrer Wohnung ist die Hundehaltung nicht erlaubt. Besucherhunde wären aber kein Problem. Ich war erleichtert, damit war die erste Hürde genommen. Wirklich genial, wenn man zu einem Hund auch gleich die Notfallbetreuung mit dazu bekommt.

Nun mussten wir prüfen, wie es mit Rico und unserer U-Shi klappt. Meine pelzige Friedenstaube hat prinzipiell kein Problem mit Artgenossen, allerdings ist sie von allzu aufdringlichen Hunden dann doch mitunter genervt. Aber die Beiden passen in der Beziehung perfekt zueinander, denn Nähe suchte Rico auf gar keinen Fall.

Wir verbrachten einige Stunden miteinander, obwohl man vielleicht besser sagen sollte, nebeneinander und beschlossen dann, das Abenteuer Rico anzugehen. So zog der kleine Choleriker als Prinz nach 2 Jahren Tierheim in unseren Mädelshaushalt.

Die ersten Tage verliefen wie erwartet. Wie all unsere ehemaligen Tierheimschützlinge verschlief er sie erschöpft und die Ruhe nutzend.

Überhaupt verliefen die ersten Tage für uns alle recht entspannt, aber ich sollte nicht lange darauf warten, bis sich Rico voll und ganz entfaltete. Inzwischen hat er bei uns den Beinamen Alfred Tetzlaff, dann muss ich nicht mehr soviel erklären. U-Shi hat er zu seiner „dusseligen Kuh“ gemacht, vielleicht sollte ich mir die Filmrechte an einer pelzigen Neuverfilmung von „Ein Herz und eine Seele“ sichern.

Während Rico gern lautstark der Welt verkündet, dass ihm jetzt hier alles gehört ( SEIN Haus, SEINE Straße, SEINE Alles...), macht seine Else- U-Shi gern mal mit, auch wenn sie überhaupt keinen Schimmer hat, worüber gerade „gesprochen“ wird. Und da hier in Dortmund auch an jeder Ecke „Sozis“ zu finden sind, hat unsa Alfred jede Menge Grund, sich aufzuregen, wann immer ihm danach ist.

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Am Besten kommt er nach wie vor mit denjenigen klar, die ihn völlig ignorieren, was für fremde Menschen als auch fremde Hunde gleichermaßen gilt. Wer seine Betriebsanleitung lesen kann und sich daran hält, empfindet ihn als recht umgänglichen Hundesenioren. Wer allerdings glaubt, er könnte Ricos Aufmerksamkeit erzwingen, bekommt sehr eindeutig zu spüren, welchen Fehler er da gerade begangen hat. Da ist Rico ganz klar in seinen Ansagen.

Mit meiner Tochter versteht er sich prima. Sie lässt ihn in Ruhe und damit hat sie bei ihm alle Schweine im Rennen.

Ganz so einfach klappt das mit Rico und mir nicht, denn ich kann ihn nicht immer in Ruhe lassen, wenn er gerade mal wieder der Meinung ist, er wünsche jetzt keinen Kontakt. Geschirr anziehen und ab und an mal die Wampe kraulen, wenn sie mir der gnädige Herr entgegen streckt, das geht inzwischen problemlos. Allerdings gibt es auch Momente, die wir Beide nicht sonderlich schätzen Z.B., wenn ich ihm nach einer Blutentnahme das Klebeband aus dem Fell entfernen muss. Dann bekomme auch ich schon mal ein Gebiss zur Zahnfleischbegutachtung zu sehen.

Mit dem Handtuch nach einem Regenspaziergang abrubbeln oder Ohren säubern sind weitere Dinge, die gern mal ausgekämpft werden, der Staubsauger ist allerdings der erklärte Lieblingsfeind Nr.1. Aber ich kann nach inzwischen fast 4 Monaten verkünden, wir sind alle noch völlig unverletzt - auch der Staubsauger. *toi toi toi*

Den größten Respekt, dass hier unterm Strich alles zufrieden stellend läuft, hat eindeutig U-Shi verdient. Ihr gegenüber ist und bleibt er wohl der Vollproll. Aber meine Phlegmatin zeigt ihm inzwischen nur noch gelangweilt die Stinkekralle, wenn ER SIE z.B. beim Überholen anrempelt und sie dann auch noch wegen des unerlaubten Körperkontakts anfletscht.
Sie hat echt eine Mordsgeduld mit ihm, aber ich denke, sie hat ihn instinktiv als Erste richtig analysiert:

Rico ist ein verletztes Seelchen, der lediglich versucht, weiteren Schaden von sich fern zu halten.

Er gibt sich soviel Mühe, stark zu wirken, dabei verraten schon seine dunklen Kulleraugen, dass ihn sein Schicksal geprägt hat und er nur nicht so recht weiss, wie er seine Vergangenheit abschütteln soll.

Wir wissen alle nicht, ob es ihm jemals gelingt, aber man kann spüren, dass er es so gern würde. Und so genießen wir alle die Momente, in denen er vorsichtig Schritt für Schritt unsere Nähe sucht und haben uns schon längst daran gewöhnt, dass wir immer wieder mit Rückschlägen rechnen müssen. Seine verbalen Ausfälle nimmt ihm niemand mehr krumm, im Gegenteil. Wir spüren, dass er selbst am meisten darunter leidet, dass er sich manchmal nicht anders zu helfen weiss.

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Ich bin froh, dass wir uns für ihn entschieden haben, auch oder gerade weil er nicht der gemütliche Senior ist, wie man es bei Hunden in seinem Alter erwarten könnte. Er hat es uns nicht einfach gemacht, uns einzubilden, dass auch er gern bei uns ist. Das Märchen vom ewig dankbaren Tierheimhund scheint er nicht zu kennen, aber offensichtlich genauso wenig zuverlässige Lebensbegleiter. So sind wir alle ein Wagnis eingegangen, von dem ich sagen kann, es hat sich gelohnt.

Daher möchte ich an dieser Stelle gern Karola dafür danken, mir auch diesmal den Schubs in die richtige Richtung gegeben zu haben, dem Tierschutzverein Groß-Dortmund für die angebotene finanzielle Unterstützung der gesundheitlichen Großbaustelle und natürlich auch Helena und Florian, die sich nach wie vor rührend um den schrägen Vogel kümmern und ihn regelmäßig besuchen kommen.

Vor allem aber danke ich allen Beteiligten an diesem Happy End für das Vertrauen in unsa Alfred und mich.

Ohne dieses Vertrauen würde er möglicherweise immer noch im Tierheim hocken, vielleicht aber hätte er sich gesundheitlich auch nicht mehr erholt und ich wäre vielleicht immer noch viel zu sehr mit meinem Selbstmitleid beschäftigt.

Danke dafür, dass all das nicht eingetroffen ist und ich hoffe zuversichtlich auf eine noch möglichst lange, spannende Zeit mit dem kleinen tapferen Männlein, das allen Zweifeln zum Trotz zaghaft zu erkennen gibt, sich noch mal auf ein neues Leben einlassen zu wollen.
 

08.12.2011

10.12.2011


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