Was ist wahre (Tier-)Liebe, wahres Mitgefühl?
In meinem Fall ein blinder, etwa 12 Jahre alter, schokoladenbrauner Pudel-Terrier-Mix namens Marvin.
Sein Leben bei mir begann am 27. März 2006. An jenem Montag holte ich ihn aus dem Aschaffenburger Tierheim und gab ihm einen Platz auf der Sonnenseite des Lebens.
Marvin war ein Fundtier, von der Polizei gebracht. Ob ausgesetzt oder entlaufen, über seine vorheriges Leben weiß ich nichts.
Er war ein leicht verwahrloster, dünner, blinder und dazu noch alter Hund... Er saß bereits seit über 3 Monaten im Tierheim und heute weiß ich, dass es mein großes Glück war, dass ihn außer mir offenbar niemand wollte.
Zu Hause wurde er erst einmal gebadet, um den Tierheimdreck loszuwerden, und seitdem wurde er gut gepflegt. Er hat zugenommen, sein Fell ist ganz weich und angenehm - er ist ein unglaublich hübscher Kerl geworden, der rein gar nicht aggressiv ist, sondern gerade gegenüber Menschen großes Vertrauen und keinerlei Scheu an den Tag legt.
Er leidet an einer Herzinsuffizienz, die er aber gut kompensiert. Er ist sehr fit und ansonsten gesund.
Warum er überhaupt blind ist, kann mir ebenfalls keiner sagen. Diabetes hat er nicht; es kann verschiedene Gründe haben, sicher jedoch ist, dass er Grauen Star im Endstadium hat.
Ob mich seine Blindheit stört?
Nein, diese "Behinderung" (einen Ausdruck, den ich selbst nie verwenden würde, andere jedoch schon, womit ich auch kein Problem habe, nur ich persönlich empfinde es nicht als solche). Es hat mich vom ersten Tag an nicht gestört, ihn stört sie auch nicht, er kommt gut zurecht... Wenn es jemanden stört, dann andere, ihn und mich nicht.
Das soll nicht heißen, dass er in der Wohnung nicht doch mal wo dagegen läuft, das passiert natürlich, aber es ist viel besser geworden mit der Zeit.
Marvin ist ein großer Spaziergänger, und was ihm neben Brauchkraulen am meisten gefällt ist, sich nach Herzenslust im Gras zu wälzen und herumzurobben.
Es ist eine Freude, ihm dabei zu sehen zu dürfen, zu spüren, wie er das Leben genießt, im Hier und Jetzt.
Was Marvin gar nicht mag, ist, alleine sein. Wenn das Frauchen nicht da ist, ist die Welt einfach nicht heil, was sich leider in permanentem Gebell äußert...
Bei Frauchens Rückkehr wird erst einmal eine Art Freudentanz aufgeführt, was freudiges Winseln, Bellen, Toben und Hochspringen vor lauter Übermut bedeutet.
Ich habe diesem alten, blinden, herzensguten Hund ein neues Zuhause gegeben und damit sicherlich ein gutes Werk getan und zum Tierschutz beigetragen, aber was mir sehr am Herzen liegt, ist darauf aufmerksam zu machen, dass Tiere generell das Leben bereichern...
Ob sie nun "behindert" sind oder nicht, ist für mich nicht wichtig. Wenn man helfen kann, sollte man es tun, denn es gibt so viel Elend, und Tiere sind so unheimlich dankbar und erfüllen einen jeden Tag aufs neue mit unendlicher Freude...
Was Marvin mir zurück gibt lässt sich weder in Worte fassen, mit Geld bezahlen oder auch nur annähernd begreifen:
Er ist und bleibt mein Sechser im Lotto, das Los meines Lebens, und ich würde ihn jederzeit wieder nehmen.
Es war die richtige Entscheidung und ich hätte ihn keinen Tag missen wollen, weil er ein einziger Sonnenschein ist.
Ich würde mir wünschen, mit dieser Geschichte all jenen Mut zu machen, die nur irgendwie die Möglichkeit haben, ebenfalls die Tiere zu nehmen, die sonst keiner will: alte, kranke, blinde, taube, dreibeinige, einäugige Tiere..
Sie alle haben genauso eine Chance verdient wie die ohne Handicap, und sie sind kein bisschen weniger liebenswert, dümmer oder sonstwie "schlecht"...
Sie sind eine einmalige Bereicherung, gerade weil man an ihnen noch viel mehr (an sich selbst und über sich selbst hinaus) wachsen kann und weil gerade Tierschützer die Aufgabe haben, sich hoffnungsloser Fälle anzunehmen, denn wenn wir es nicht tun, tut es bestimmt auch kein anderer...
Man darf sich nur nicht abschrecken lassen... E braucht oft nur guten Willen, Liebe und Geduld...
Für den Menschen mag es etwas mehr Aufwand sein, für ein Tier kann es alles bedeuten.
Nutzen wir die Chance, Gutes zu tun!
Für all die Seelen, die auf eine Chance warten...
© Raffaela Göhrig und Marvin
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