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Happy

Es ist zwar schon einige Jahre her, doch immer, wenn ich an der leeren Wand des alten Bauern- hauses vorbeikomme, ist da dieser kleine Moment der Freude.

Freude darüber, dass dort kein junger, lebenshungriger Hund mehr festsitzt und dort nicht einmal mehr ein Zwinger steht.

Das war nicht immer so.

Lange Zeit lebte dort ein alter Schäferhund, der täglich mit Herrchen und manchmal auch mit Herrchen und Frauchen zusammen seine Runden drehte. Optimal waren auch die Lebensbedingungen und die Haltung dieses Hundes nicht, aber der Hund kam täglich regelmäßig längere Zeit raus und war seinen Haltern treu ergeben.

Sowohl die Halter als auch der Hund waren nicht mehr die sichersten auf den Beinen, und irgendwie schien diese Konstellation stimmig. Als der Hund starb, landete recht bald ein neuer Hund in dem Zwinger. Ein kleines schwarzes Häuflein Elend – zitternd, ängstlich und mit der für ihn neuen Situation ziemlich überfordert.

Es war ein sehr trauriges Bild.
Bei dem Bauern, von dem er stammte, hatte er zwar auch nur im Zwinger gesessen, aber da hatte er wenigstens noch seine Geschwister und die Mutter.

Ein Aufenthalt im Haus war für diesen kleinen Kerl nicht vorgesehen.
Aber wenn die Halter mit ihm wenigstens, wie mit dem Vorgänger, regelmäßig spazieren gehen würden, würde es für „Happy“, so nannte ich ihn, ja vielleicht kein wirklich gutes, aber doch zumindest ein irgendwie annehmbares Leben werden.

Nach wenigen Tagen hatte der kleine Kerl etwas Selbstvertrauen gewonnen und ver- suchte, mit den an seinem Zwinger vorbeigehenden Menschen und Hunden Kontakt aufzunehmen. Freundlich, aufgeschlossen und einfach lebenshungrig – keine Spur von Aggression.

Die Besitzer, vor allem das für die Erziehung zuständige Herrchen, sahen das leider anders.
Wenn Herrchen sah oder hörte, dass sein Hund im Zwinger rumsprang oder bellte, wurde geschimpft und gemaßregelt, bis „Happy“ zitternd im Zwinger saß. Der Hund und seine Halter schienen einfach nicht den richtigen Draht zueinander zu haben, was leider zulasten des Hundes ging.

Dies war der Zeitpunkt, an dem ich erstmals vorsichtig meine Fühler Richtung Ordnungs- und Veterinäramt ausstreckte. Aber da der Hund zu der Zeit noch täglich aus dem Zwinger kam, wollte da so recht niemand ran.

„Happy“, der mehr und mehr zu einem kräftigen Kerl heranwuchs, saß bis auf kurze Aus- flüge tagein tagaus alleine im Zwinger.

Seine Versuche, Kontakt mit passierenden Menschen und Hunden aufzunehmen, schlugen immer wieder fehl.

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Aus Angst, die Besitzer könnten solche Kontaktaufnahmen mitbekommen und den Hund maßregeln, hasteten alle recht zügig vorbei. „Happy“ blieb nichts, als dem an seinem Zwinger vorbeiziehenden Leben sehnsüchtig hinterherzuschauen.

Immer mal wieder hatte er wunde Pfoten oder kleinere Verletzungen, weil er in seiner Verzweiflung oder aus Langeweile versuchte, ein Loch in den Betonboden zu buddeln oder über die Seitengitter aus dem Zwinger zu klettern.

Eine Weile wechselte ich sogar meine übliche Gassistrecke, weil ich diesen traurigen Anblick nicht ertragen konnte oder wollte.

Zu Anfang traf man den Hund und seine Halter noch auf gemeinsamen Spaziergängen.
Es war aber vor allem Herrchens Hund – und dennoch: „Happy“ und sein Herrchen schienen zusammen einfach nicht glücklich zu werden. Der Hund war jung, und kräftig, und obwohl er ziemlich eingeschüchtert war, war er dennoch für seinen älteren Besitzer häufig allein körperlich kaum zu bändigen.

Immer öfter kam es zu Szenen, in denen er sein Herrchen im Überschwang fast umwarf, und als er dann irgendwann Herrchen und Frauchen gemeinsam von den Beinen zog, kam er gar nicht mehr aus seinem Zwinger heraus. So hatten seine Besitzer sich das sicherlich auch nicht vorgestellt.

Schon bald gab ich mir einen Ruck und ging wieder zweimal täglich bei „Happy“ vorbei, steckte ihm heimlich einen Streifen Trockenfleisch zu und streichelte ihm durch ein Loch im Zwinger kurz den Kopf. Er sollte wenigstens eine kleine Freude am Tag haben.

Und jedes Mal sprang „Happy“ dann fast schon verzweifelt gegen seine Zwingertür und wollte hinter mir und meinen Hunden her.

Jedes Mal stellte ich mir die Frage, ob ich ihm sein Leben mit diesen kurzen Annehm- lichkeiten nicht nur noch schwerer machte. Ich fragte seine Besitzer, ob ich „Happy“ nicht bei meinen Spaziergängen mitnehmen könnte. Schließlich käme ich ohnehin auf dem Hin- und Rückweg bei ihnen vorbei, da könnte der Hund uns gerne begleiten.

Leider hielten die Besitzer nichts davon.
Ein Hund brauche nur einen Herrn, und so was würde das Tier nur unnötig verwirren.

Ich wollte diesem erkennbar unglücklichen Hund, der einfach das Pech hatte, in einem unpassenden Zuhause gelandet zu sein, so gerne helfen. Wenn persönliche Hilfe nicht ging, würde ich es eben auf dem offiziellen Weg versuchen müssen.

Zunächst machte ich den Hof ausfindig, von dem der Hund stammte und erkundigte mich, ob man nicht eine Nachkontrolle machen oder den Hund in Anbetracht der Sachlage vielleicht zurücknehmen und an jemand anderen vermitteln wollte.

Meine Idee stieß auf wenig Verständnis.

Also wendete ich mich an das Ordnungsamt und verwies auf den fehlenden Chip.
Für das Veterinäramt machte ich Fotos von dem Zwinger, der mittlerweile nicht nur ziemlich verschmutzt war, sondern auch einige Ecken mit Verletzungsgefahren für den Hund aufwies.

Ich war ziemlich hartnäckig bzw. ging den Ämtern penetrant auf die Nerven.
Auch wenn mir persönlich alles viel zu langsam ging, bin ich überzeugt, dass den dortigen Mitarbeitern das Schicksal dieses Hundes nicht egal war. Aber sie hatten es auch nicht leicht.

Das Herrchen, das als Ansprechpartner in Sachen „Happy“ auftrat, erzählte die abenteuerlichsten Geschichten. Das machte eine Handhabe für die Ämter zumindest nicht leichter. Gegenüber dem Ordnungsamt hieß es, der Hund gehöre gar nicht „Happys“ Haltern, sondern deren Enkel, und er sei immer nur tageweise bei ihnen. Wegen des Chips wäre dann also ein anderes Bundesland zuständig gewesen, in dem es zu dem Zeitpunkt noch keine Verpflichtung zum Chippen gab.

Dem Amtsveterinär, der tatsächlich diverse Auflagen machte und auch kontrollierte, verkündete das Herrchen bei dessen Kontrollbesuch dann die frohe Botschaft, dass sie den Hund Anfang des nächsten Monats abgeben würden. Er sollte künftig auf einem Reiterhof leben. Bekannte seines Enkels würden „Happy“ gerne aufnehmen. Die wären jetzt grade noch im Urlaub aber am 1. des kommenden Monats würde er abgeholt.

Ich weiß gar nicht, ob das Amt das durfte, aber man hat mich netterweise direkt über diese erfreu- liche Wendung informiert.

Vermutlich wäre „Happy“ tatsächlich irgendwann beschlagnahmt worden.
Sein Pflegezustand hatte im Laufe der Zeit merklich nachgelassen. Aber bis dahin hätte es vermutlich noch länger gedauert.

Ich war unendlich erleichtert über diese Wendung. Manchmal konnte es so einfach sein. Ein Besuch vom Amtsveterinär, ein paar Auflagen für die weitere Haltung und schon wurde der Hund schnell weitervermittelt.

Ich freute mich, dass die Halter, angeregt durch diesen behördlichen Schubser, letztlich doch ein- gesehen hatten, dass dieser Hund bei anderen Haltern besser aufgehoben war.

Ich kannte den Hof, auf dem er fortan leben sollte. Da würde es ihm gut gehen.
Nach fast zwei Jahren in seinem Zwinger würde er ein unbeschwertes Leben führen können.

Fortan ging ich mit einem fröhlichen Pfeifen auf den Lippen zweimal täglich bei „Happy“ vorbei, brachte ihm sein Leckerchen und streichelte kurz seinen Kopf.

Während ich die Tage bis zu seinem großen Tag zählte, schien „Happy“ auf diesen letzten Metern irgendwie immer trübsinniger zu werden. Er konnte ja nicht wissen, dass es für ihn künftig mehr geben sollte als Zementboden und Zwingergitter. Er würde sein altes Leben hinter sich lassen und endlich Hund sein.

Rückblickend bereue ich, dass ich „Happys“ Haltern, und vor allem seinem Herrchen, immer mit einer gewissen inneren Wut begegnet bin und nicht erkannt habe, dass auch die Hundehalter zu dem Zeitpunkt vermutlich schon eher Unterstützung als Vorhaltungen über Hundehaltung gebraucht hätten.

Manchmal frage ich mich, ob die merkwürdigen Geschichten, die den Ämtern und mir erzählt wurden, tatsächlich bewusste Lügen waren oder ob nicht vielleicht doch altersbedingt einfach Dinge durcheinandergebracht wurden. Und irgendwo war der Hund für die beiden, und vor allem für das Herrchen, vermutlich auch so etwas wie die Bestätigung, dass sie noch im Leben standen und alleine zurechtkamen.

Heute denke ich, der Hund war den beiden gar nicht so egal, wie ich dachte. Vermutlich konnten sie sich einfach nicht mehr so um ihn kümmern, wie sie selbst es gern getan hätten. Sich das ein- zugestehen, ist sicherlich auch nicht leicht. Heute denke ich, die beiden hätten es besser gemacht, wenn sie es gekonnt hätten.

„Happy“ jedenfalls konnte für all das am allerwenigsten und umso schöner war es, dass er seinem Zwingerdasein nach knapp zwei Jahren, und somit als noch als relativ junger Hund, den Rücken kehren konnte.

Für seine Halter würde er wohl der letzte Hund gewesen sein, das stimmte mich trotz der Freude über „Happys“ Abgabe auch ein wenig traurig. Rückblickend wäre ich gegenüber den Haltern gerne empathischer gewesen.

Zu Beginn des nächsten Monats fiel ich dann allerdings aus allen Wolken. „Happy“ saß weiterhin in seinem Zwinger fest. Eine Abgabe war nie geplant gewesen.

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Ob „Happys“ Halter einfach nur Ruhe vor den Ämtern haben wollten oder was sie sonst dazu bewogen hatte, diese Geschichte zu erzählen. Ich weiß es nicht.

Leider wurde der Hund ab diesem Zeitpunkt immer öfter tageweise in den Keller oder die Garage gesperrt. Statt dem Hund, wie erhofft, durch das Einschalten des Amtes zu helfen, hatte dem armen „Happy“ sein Leben also noch beschwerlicher gemacht, als es ohnehin schon war.

Das ließ mich alles einfach nicht los.

Wie konnte ich dem Hund helfen?

Würden sie ihn vielleicht tatsächlich abgeben?

Wenn sie so eine Geschichte erzählten, mussten sie den Gedanken ja zumindest schon mal gehabt haben.

Glücklich waren sie alle zusammen nicht.
Nicht nur der Hund war kreuzunglücklich, ich denke, auch die Halter hatten sich das alles leichter vorgestellt. Vor allem das Herrchen war sicher alles andere als glücklich drüber, dass er mit dem Hund nicht gemütlich durch die Gegend ziehen konnte, wie er das von seinem früheren Hund kannte.

Also, Fragen kostete ja nichts.
Nur wohin mit dem Hund, wenn sie mein Angebot, den Hund zu übernehmen, annehmen würden?

Aufnehmen konnte ich ihn nicht. Also rief ich bei einem Tierheim in der Nähe an und klärte alles wegen einer potenziellen Abgabe. Gegen Vorlage einer schriftlichen Übereignungs- erklärung würden sie ihn gerne aufnehmen.

Dann fasste ich mir ein Herz, klingelte bei „Happys“ Besitzern und trug ihnen mein Anliegen vor. Im Gepäck hatte ich drei Ausfertigungen eines Übergabevertrages, jede Menge Geldscheine, Pralinen und eine Flasche Wein. Ich hatte mich extra den Nachbarn erkundigt, mit was ich in Sachen Pralinen und Wein würde punkten können.

Tatsächlich zeigten „Happys“ Halter sich meiner Idee gegenüber aufgeschlossen.
Sie wollten die Hundehaltung auch lieber aufgeben, zu viel Ärger mit den Leuten und den Ämtern, erklärten sie. Das war Musik in meinen Ohren.

Doch am Wochenende käme noch mal der Enkel zu Besuch, der würde sich von dem Hund verabschieden wollen. Am Montag könnte ich „Happy“ dann abholen.

So richtig glücklich war ich nicht, ich hätte den Hund lieber direkt mitgenommen. Aber die paar Tage sollten wir jetzt auch noch rumkriegen.

Ich bot an, bis dahin täglich mit „Happy“ zu gehen – aber davon hielt man noch immer nichts.

Ich klärte den Abgabetermin mit dem Tierheim ab und zählte wieder einmal die Tage, bis es für „Happy“ in ein besseres Leben gehen sollte.

Als ich am Vormittag des Übergabedatums voller Vorfreude bei „Happys“ Haltern klingelte, hieß es kurz und knapp, man wolle den Hund nun doch behalten. Der Enkel wolle das so.

Irgendwie hatte ich so was in der Art befürchtet.
Ich rief kurzerhand den Enkel an und fragte nach, warum um alles in der Welt er den Hund, den er nur alle paar Wochen mal kurz sieht, unbedingt behalten wollte.

Der Enkel wiederum hörte zum ersten Mal von einer möglichen Abgabe des Hundes, die er grund- sätzlich sogar begrüßte. Eine Einigung fanden wir leider dennoch nicht.

Im Gegenteil:
Am Ende war der Enkel sauer, weil ihm während des Telefonats dämmerte, wer seinen Großeltern das Amt auf den Hals gehetzt hatte.

„Happys“ Besitzer waren sauer, weil ich ihre Hundehaltung kritisiert hatte.
Ich war sowieso auf alle sauer, und „Happy“ saß weiterhin 24 Stunden täglich, 7 Tage die Woche in seinem Zwinger fest.

Am liebsten hätte ich meine Gassistrecke wieder geändert. Ich wusste einfach nicht mehr, was ich noch tun sollte. Irgendwie hatte ich auch das Gefühl, dass „Happy“ gar nicht mehr mit so viel Energie gegen seine Zwingertür sprang – als hätte er für sich gemerkt, dass von mir in Sachen Freiheit und Glück auch nichts zu erwarten war.

So ging es einige Wochen weiter. Es tat sich nichts, was „Happys“ Situation verbessert hätte.

Nachdem ich dem Veterinäramt mal wieder Bilder von Verletzungsgefahren im Zwinger geschickt und überzeugend dargelegt hatte, dass der Hund trotz anderer Angaben der Besitzer durchaus noch bei seinen Haltern lebte, versprach man, sich erneut zu kümmern. Aber das würde eben alles wieder seine Zeit dauern.

Und dann ging alles ganz schnell.

In meiner Erinnerung scheint an diesem Tag die Sonne, weil es einfach ein so froher Tag war. Aber tatsächlich regnete es an diesem Morgen, an dem nur ein kleines bisschen anders war als üblich, was aber „Happys“ Leben für immer verändern sollte.

Nach meinem Kurzbesuch verspeiste er wie üblich das Mitbringsel in Form eines Leckerchens, während ich meinen üblichen Gedanken und der Frage nachhing, ob ich es für den Hund durch meine kleinen Aufmerksamkeiten nicht noch schlimmer machte.

Und genau an diesem Punkt war an diesem Morgen etwas anders.

Das übliche Klappern der Zwingertür fehlte – Dieses ganz bestimmte Geräusch, das sie machte, wenn „Happy“ sich dagegen warf. An diesem regnerischen Morgen war es nicht zu hören.

Ich dachte, der arme Kerl hätte einfach resigniert und wäre gar nicht mehr zur Tür gegangen. Aber hatte ich nicht aus dem Augenwinkel gesehen, wie er Anlauf genommen hatte?

Und dann stand plötzlich ein aufgeregter „Happy“ vor mir.
Seine Besitzer mussten an diesem Morgen entgegen der üblichen Gepflogenheiten vergessen haben, das Schloss vor die Zwingertür zu machen. Und so hatte die Zwingertür an diesem Tag nach fast zwei Jahren tatsächlich nachgegeben.

An diesem regnerischen Morgen fügte sich irgendwie alles zusammen.

Die kleinen heimlichen Freuden, die in „Happy“ den Wunsch geweckt hatten, der Ver- heißung zu folgen.

Sein täglicher Sprung gegen die Tür, die an diesem Tag endlich nachgab.

Die regelmäßigen kurzen Kontakte, durch die der Hund mir genug vertraute, um mir zu folgen und nicht hektisch auf die nächste vielbefahrene Straße oder schlimmer noch auf die Bahngleise zu laufen.

Irgendwie passte alles zusammen.

Sollte ich jetzt etwa umdrehen und den Hund wieder zurückbringen?

Dorthin, wo er erkennbar unglücklich war?

Ich brachte es nicht übers Herz.
Ich wollte erstmal meinen üblichen Gassigang machen und mir unterwegs überlegen, was zu tun war.

„Happy“ lief aufgeregt aber brav mit und hörte auf den kleinsten Zuruf.
Er rannte und tobte und sprühte vor Lebenslust – So sollte ein „Happy“ aussehen.

Ich beschloss, zu pokern.

Ich wählte einen anderen Rückweg, der nicht an „Happys“ Zwinger vorbeiführte und nahm den Hund mit nach Hause.

Sollte ich ihn einfach in ein weiter entferntes Tierheim bringen?
Seine Besitzer anrufen?
Den Enkel der Halter kontaktieren?
Ordnungsamt oder Amtsveterinär fragen, was zu tun ist?

Irgendwie überkamen mich Skrupel. Also fuhr ich zu „Happys“ Besitzern und traf sie draußen an. Ich fragte einfach ganz direkt nach, wo denn ihr Hund sei, ich hätte ihn schon länger nicht mehr gesehen. Doch keiner von ihnen erwähnte etwas von einem entlaufenen Hund, sondern sie erklärten mir, ihr Hund liege bei ihnen in der Küche.

Fast hätte ich sie angefahren, dass sie sich ihre Lügengeschichten sparen sollten. Aber ich biss mir auf die Zunge, dankte für die Auskunft und ging meiner Wege.

Vielleicht wollten sie sich keine Blöße geben, vielleicht hatten sie sein Entlaufen auch wirklich noch nicht bemerkt, auch wenn ich sie in direkter Nähe zum leeren Zwinger angetroffen hatte. Ich werde es nie erfahren.

In meiner Erinnerung bilde ich mir immer mal wieder ein, „Happys“ Frauchen hätte mir irgendwie wissend zugezwinkert, und frage mich, ob nicht vielleicht sie das Zwingerschloss mit Absicht nicht vor die Tür gehängt hatte. Vermutlich ist das Wunschdenken, um mein Gewissen zu beruhigen oder die Geschichte abzurunden – aber der Gedanke gefällt mir.

Wenn also der Hund dieses Ehepaares bei ihnen in der Küche lag, dann konnte der Hund bei mir zu Hause ja schlecht deren Hund sein. Dann saß bei mir in der Wohnung offenbar tatsächlich ein unbekannter Fundhund.

Bei meiner Rückkehr fand ich den unbekannte Fundhund zufrieden bei mir zu Hause vor.
Vertrauensvoll ließ er sich streicheln und wirkte in dieser für ihn ungewohnten Umgebung total entspannt.

Ich fasste den Entschluss, in dieser Sache quasi einen halboffiziellen Weg zu gehen.
Ich fühlte mich zwar wie ein Schwerverbrecher, doch was getan werden musste, musste getan werden. Ich nahm „Happy“ sein Halsband ab und ersetzte es durch ein Halsband aus meinem Fundus. Dann rief ich bei der Gemeinde an und meldete einen Fundhund.

…Nein, ein Halsband hatte der Hund nicht getragen. Ich hatte die Halter eines ähnlich aussehenden Hundes hier im Ort aufgesucht, deren Hund war es aber nach ihrer Aussage nicht. Also müsste das hier bei mir ein anderer Hund sein und ich könnte auch nicht sagen, wohin er gehört...

Dann ging alles seinen Gang. Ich konnte „Happy“ noch am selben Tag im Tierheim abgeben.

Für manche Hunde ist das Tierheim eine erhebliche Verbesserung ihrer Lebenssituation. „Happy“ war so ein Fall und als wäre ihm das bewusst, zog er nach der Ankunft neugierig und unbeschwert mit der zuständigen Pflegerin los. Er warf keinen Blick zurück. „Happy“ war zweifellos bereit für den Start in ein neues Leben.

Ich dagegen war von Zweifeln geplagt.
Einerseits fragte ich mich, ob ich „Happy“ nicht viel weiter von seinem alten Leben hätte wegbringen sollen. Andererseits treibt mich selbst heute, viele Jahre später, noch manchmal die Frage um, ob ich ein Hundedieb bin. Doch letztendlich hätten seine Halter jederzeit bei der Gemeinde oder dem Tierheim nachfragen können. Das ist nie geschehen und das war vermutlich für alle Beteiligten auch ganz gut so.

Meine große Befürchtung, dass kurze Zeit nach „Happys“ Entlaufen wieder ein Hund in den Zwinger einziehen und sich das ganze Drama wiederholen würde, hat sich nicht bestätigt. Die Besitzer haben sich keinen neuen Hund mehr angeschafft.

„Happy“ fand recht schnell ein Zuhause, und laut Rückmeldung der neuen Halter sind diese sehr glücklich mit ihrem neuen Familienmitglied.

 

05.12.2020

07.12.2020


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Oder einen Gutschein über einen Tierheimbesuch im neuen Jahr!

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