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Mihail

Wer in den letzten Monaten die Situation der rumänischen Straßenhunde verfolgt hat, wird an den Bildern der Hundefänger in Aktion nicht vorbeigekommen sein.

Besonders berührt hat mich das Schicksal eines älteren Rüden, dessen Einfangaktion durch Bukarester Hundefänger im ARD-Morgenmagazin ausgestrahlt wurde. Der Bericht zeigte, dass Rumänien nicht mehr nur ein hartes Pflaster für Straßenhunde ist, sondern in weiten Teilen zu einem Ort geworden ist, der den Tieren keine Chance lässt.

Leicht war das Leben für Hunde auf Rumäniens Straßen noch nie. In der Vergangenheit gab es immer wieder Tötungsaktionen. Oft werden Straßenhunde Opfer menschlicher Gewalt, werden überfahren, überleben den harten Winter nicht, verhungern, oder kommen auf andere Weise um.

Doch es gibt auch die andere Seite:
Viele Rumänen lieben ihre Straßenhunde, versorgen sie mit Futter, bauen ihnen Hütten und kümmern sich um sie. Rumänische Tierschützer setzen sich für die Straßenhunde ein und auch große Tierschutzorganisationen aus anderen Ländern versuchen seit Jahren, vor Ort zu helfen.

Leider erfahren sie kaum Unterstützung durch Politik und Behörden. Im Gegenteil, ihnen werden oftmals Steine in den Weg gelegt.

Das Gesetz, das seit September dieses Jahres die Tötung der Straßenhunde erlaubt und den Hunden in vielen Teilen des Landes keine Chance lässt, wurde nach einem tragischen Vorfall im September dieses Jahres, bei dem ein vierjähriger Junge laut Medienberichten von Straßenhunden getötet wurde, im Schnellverfahren erlassen.

Die Bürgermeister der einzelnen Gemeinden können nun darüber entscheiden, ob sie die Straßen- hunde einfangen lassen, 14 Tage (häufig unter schlechten Bedingungen) verwahren und dann „euthanasieren“. Wobei das neue Gesetz die Tötung durch Methoden erlaubt, die nichts mit dem zu tun haben, was wir unter Einschläferung verstehen.

Der Tod des kleinen Jungen ist tragisch und soll mit diesem Plädoyer für rumänische Straßenhunde in keiner Weise relativiert werden. Doch das grausame Einfangen, Verwahren und Töten unzähliger (zumeist friedlicher und eher ängstlicher) Hunde macht den Jungen nicht wieder lebendig – und es löst auch die Straßenhundeproblematik nicht. Vielmehr ist es die Bankrotterklärung einer Politik, die sich nie um eine nachhaltige Lösung des Problems bemüht hat.

Bei den Tötungsaktionen wird es vermutlich nicht gelingen, alle Hunde einzufangen und es werden erneut unkastrierte, von Privatleuten ausgesetzte Hunde auf Rumäniens Straßen landen und sich unkontrolliert vermehren. So wie es nach den bisherigen Tötungsaktionen auch der Fall war.

Für eine nachhaltige Eindämmung der Straßenhundepopulation wären flächendeckende Kastrationen nötig. Es gibt viele Tierschützer, darunter auch große Organisationen, die dabei gerne mitwirken würden. Aber die rumänische Politik zieht bislang einfach nicht mit…

Dieses neue Gesetz wurde auch Mihail, dem älteren Rüde, dessen Einfangaktion im ARD- Morgen-magazin gezeigt wurde, zum Verhängnis:

(Video war nur verfügbar bis 05.11.2014)

Bis zu jenem Zeitpunkt, an dem er vor laufender Kamera von den Hundefänger eingefangen wurde und sein Leben eine ebenso dramatische wie auch brutale Wendung nehmen sollte, führte Mihail ein für einen rumänischen Straßenhund fast schon privilegiertes Leben.

Er wurde durch Anwohner versorgt und hatte sogar eine eigene Decke, auf der er es sich gemütlich gemacht hatte, als die Hundefänger ihn holten.

Zehn Jahre hatte er bis zu diesem Tag an seinem Platz gelebt und niemandem Probleme gemacht.
In diesen zehn Jahren zeigte es sich als freundlicher Kerl und es gab keine Vorfälle mit ihm. Er hätte dort vermutlich auch den Rest seines Lebens friedlich verlebt, bis er irgendwann eines natürlichen Todes gestorben wäre.

Doch ein friedlicher Lebensabend in der für ihn gewohnten Umgebung war Mihail aufgrund der aktu- ellen Lage in Rumänien nicht vergönnt. Er wäre, wie so viele andere Hunde auch, einfach weggefangen, in eines der städtischen Tierheime gebracht und getötet worden bzw. dort gestorben, ohne dass die Welt davon Notiz genommen hätte.

Diejenigen, die ihn auf der Straße gefüttert haben, haben ihn sicherlich vermisst.

Aber was hätten sie tun können?
Wohin hätten sie ihn bringen können?

Für Hunde wie Mihail gibt es in Rumänien keinen Platz, an dem sie wirklich sicher wären.

Mihail hatte das Glück, dass die Aktion, bei der er von den städtischen Hundefängern eingefangen und in eine kleine Gitterbox verfrachtet wurde, von einem Fernsehteam gefilmt und in Deutschland ausgestrahlt wurde.

Es war schrecklich, hilflos mit anzusehen, wie er da nichtsahnend in der Sonne auf seiner Decke lag und gar nicht wusste, wie ihm geschah. Er wirkte so friedlich, so mit sich und der Welt im Reinen … und dann diese brutale Einfangaktion.

Der Anblick dieses Hundes, der unsanft aus seiner kleinen Welt gerissen wurde und in dieser gräßlichen Fangschlinge hing und schließlich völlig verdattert aus diesem Drahtkäfig schaute, zerriss mir fast das Herz. Das Wissen, dass in seinem Leben nichts mehr so sein sollte, wie es war und er in eines der städtischen Tierheime gebracht werden würde, wo er vermutlich kaum Futter und Wasser bekommen würde und wo auf ihn nichts als der Tod warten würde, war kaum zu ertragen.

Aber was hätte ich schon machen können hier von Deutschland aus?
Bei mir hatte sich durch die hoffnungslose Lage für Rumäniens Straßenhunde und die immer neuen Hiobsbotschaften mittlerweile Resignation breit gemacht.

In einem Hundeforum, in dem sich einige Mitglieder in Rumänien engagieren, fragte eine nicht resignierte Userin bei der Diskussion zu dem Bericht, ob es nicht eine Möglichkeit gäbe, diesen Hund zu retten und erklärte sich zusammen mit einer weiteren Hundebesitzerin dazu bereit, die Pensions- kosten für ihn zu übernehmen.

Auch wenn bei den Antworten auf ihre Frage durchklang, dass so manch einer befürchtete, der erkennbar ältere Hund könnte die Einfangaktion und den späteren Aufenthalt im städtischen Tierheim nicht überlebt haben, keimte dennoch ein bisschen Hoffnung auf – nicht nur Hoffnung für diesen alten Hund, sondern auch die Hoffnung auf einen kleinen Lichtstrahl vor dem Hintergrund der Machtlosigkeit, mit der Tierschützer und Hundefreunde der Situation in Rumänien gegenüberstehen.

Und vielleicht würde seine Rettung Leuten wie mir, die sich angesichts der ausweglos erscheinenden Lage in Resignation geflüchtet hatten, wieder etwas neuen Mut schenken.

Und es kam tatsächlich Bewegung in die Sache.

Eine andere Userin hatte einen Freund in Bukarest, der sich bereit erklärte, im städtischen Tierheim nach dem Hund zu suchen. Man fand heraus, wo er eingefangen worden war und bei der Redaktion wurde das Datum der Einfangaktion erfragt. Der Drehtermin machte Hoffnung, denn die Dreharbeiten lagen noch nicht lange zurück. Diesen eher kurzen Zeitraum könnte der alte Kerl im Tierheim überlebt haben.

Sollte es tatsächlich gelingen?
Sollte man dem mitleidlosen Apparat aus Verordnungen und Vernichtung, der da in Rumänien angelaufen war, wenigstens diesen einen, eigentlich schon verloren geglaubten Hund abtrotzen können?

Ja, es wäre nur ein Hund von vielen. Aber dennoch, irgendwie war er für mich zu einem Sinnbild für zumindest ein kleines bisschen Hoffnung geworden und ich hoffte so sehr, dass er eine Chance bekommen würde.

Doch dann kam die ernüchternde Nachricht, die ich zwar befürchtet aber wegen der aufkeimenden Hoffnung unterdrückt hatte. Man hatte ihn in dem ersten Tierheim nicht gefunden – und es sicherlich zuerst in dem Tierheim gesucht worden, in dem man ihn anhand der Fernsehbilder am ehesten vermutete. Nach all den negativen Nachrichten aus Rumänien hätte es ja auch an ein Wunder gegrenzt, wenn man diesen alten Rüden hätte retten können.

Insgesamt waren aber drei Tierheime genannt worden, in denen er hätte sein können. Man würde ihn nicht aufgeben und weiter nach ihm suchen.

Ich selbst glaubte ab diesem Punkt nicht mehr an Mihails Rettung und redete mir ein, dass die Anwohner, die ihn bislang versorgt hatten, ihn ja vielleicht ausfindig gemacht und irgendwo in Sicherheit gebracht hatten. Vielleicht waren nach den Fernsehbildern auch schon andere auf die Idee gekommen, nach ihm zu suchen und er war bereits in Sicherheit.

Ja, an eine dieser Versionen wollte ich glauben. Denn dass man ihn finden würde, das wagte ich kaum noch zu hoffen.

Mittlerweile wusste man auch, dass er auf einem Auge blind war und an Hüftdysplasie litt.
Wie schlimm musste es für ihn mit diesen Einschränkungen in dem Tierheim sein – wie schmerzhaft musste die Einfangaktion für seine alten Knochen gewesen sein... Der arme Kerl tat mir so schrecklich leid.

Am nächsten Tag traute ich mich gar nicht mehr, im Forum nachzuschauen. Der Gedanke, dass nun auch diesem Hund nicht geholfen werden konnte, erschien mir unerträglich. Als ich mich am Abend dann doch dazu durchrang und nachschaute, was die weitere Suche ergeben hatte, traute ich meinen Augen kaum. Das kleine Wunder inmitten all der Hoffnungslosigkeit war geschehen!

Man hatte Mihail in einem anderen Tierheim tatsächlich gefunden. Abgeholt werden durfte er allerdings erst zwei Tage später. Und wieder folgte banges Warten, ob es denn auch wirklich klappt. Würde er den Ort, der für die dort untergebrachten Hunde, die vermutlich ebenso friedliche Tiere sind/waren wie er, nicht nur den Tod, sondern auch eine schlechte Versorgung und Behandlung während ihrer restlichen Lebenszeit bedeuten wird, tatsächlich verlassen können?

Und zu meiner großen Freude klappte es tatsächlich. Mihail durfte diesem Ort den Rücken kehren.

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Er wurde in eine Pension mit angeschlossener Tierarztpraxis gebracht und dort versorgt. Mihail sollte die Chance bekommen, sein restliches Leben in Sicherheit zu verbringen.

Und hier hätte diese Geschichte mit einem Happy End für wenigstens diesen einen Hund enden sollen. Doch Rumänien ist aktuell scheinbar kein Pflaster für große Happy Ends, zumindest nicht für Straßenhunde. Denn Mihails restliche Lebenszeit war leider nur kurz – viel zu kurz, um ihn das schreckliche Erlebnis des brutalen Einfangens und der miesen Unterbringung im städtischen Tierheim vergessen lassen zu können.

Er hatte sich scheinbar aufgegeben.
Er stellte das Fressen ein und trotz tierärztlicher Versorgung hörte sein Herz nur eine Woche nach seiner Rettung auf zu schlagen. Und dennoch war er in dieser Zeit geschützt und versorgt – und darum ist seine Geschichte für mich trotz allem ein kleines Happy End.

Mihail hat seine letzte Reise nicht vom verdreckten Betonboden des städtischen Tierheims aus antreten müssen. Er hatte zumindest wieder eine eigene Decke und er war in Sicherheit. Und ich hoffe von Herzen, dass er mit der Welt wieder etwas im Reinen war, bevor er seine Augen für immer schloss.

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Mihail, wir alle hätten dir so sehr gewünscht, dass du noch eine schöne Zeit auf dieser Welt verleben kannst. Ich hoffe, dass du dort, wo du jetzt bist, deinen Frieden gefunden hast und wieder frei bist!

Vielleicht liegt es an der Vorweihnachtszeit und der Erinnerung an den fast vergessen geglaubten Glauben an das Christkind aus Kindertagen; vielleicht ist es auch nur ein unterbewusster Schutz, um nicht wieder in Resignation zu verfallen. Aber seit Mihails Tod frage ich mich immer mal wieder, ob Mihails Geschichte – aus einer anderen, einer christkindlicheren Perspektive betrachtet – nicht vielleicht weniger traurig ist, als sie auf den ersten Blick erscheint.

Aus dieser anderen, dieser christkindlicheren Perspektive betrachtet, erscheint es mir gar nicht so unmöglich, dass dieser Hund, der am (leider grausamen) Ende seines hoffentlich zufriedenen und freien Lebens angekommen war, bereits nach dem Einfangen und der üblen Unterbringung mit seinem Leben abgeschlossen hatte.

Ist es möglich, dass er – so kurz vor seinem Aufbruch in eine andere, für ihn bessere Welt – gespürt hat, dass nach ihm gesucht wird und die Suchenden so dringend ein Happy End brauchen?

Kann es sein, dass dieser alte Hund die Zeit im städtischen Tierheim noch durchgestanden hat, um uns sein Rettung zu ermöglichen?

Hat er sich retten lassen, um uns zumindest ein bisschen Hoffnung zurückgegeben und die aufkommenden Resignation von uns zu nehmen?

Von dieser anderen, dieser christkindlicheren Perspektive aus betrachtet, liegt es durchaus im Bereich des Möglichen, dass er genau das getan hat – nicht nur für uns, sondern vor allem auch für all die anderen Hunde, die den Hundefängern und dem damit oftmals verbundenen Tod (sei es durch Tötung oder indem sie die miesen Bedingungen in den städtischen Tierheimen nicht überleben) in die Hände fallen, wenn sie eigentlich noch nicht bereit sind, diese Welt zu verlassen.

Und wenn man diese christkindlichere Perspektive einnimmt, dann ist da neben all der Wut und der Verzweiflung darüber, was den Straßenhunden in weiten Teilen Rumäniens derzeit angetan wird, auch noch Platz für etwas anderes… nämlich Respekt und Dankbarkeit gegenüber den rumänischen Bürgermeistern, die sich gegen das Töten und für Kooperationen mit Tierschützern entscheiden und kastrierte Tiere weiter auf den Straßen dulden – und ihnen so die brutalen Erfahrungen ersparen, die Mihail und viele andere Hunde am Ende ihres Lebens machen müssen.

In einem Land, in dem die Stimmung und die Politik so hundefeindlich sind, wie es in Rumänien aktuell der Fall zu sein scheint, gehört sicherlich auch Mut dazu, sich für eine Lösung im Sinne der Tiere zu entscheiden. Ich denke, diese Bürgermeister können etwas Zuspruch gebrauchen.

Wenn ich also beim Christkind einen Weihnachtswunsch frei hätte, würde ich mir wünschen, dass diejenigen, die sich für Rumäniens Straßenhunde stark machen möchten, zu Weihnachten Worte des Dankes an die Bürgermeister richten, die sich für einen tierschutzgerechten Ansatz entschieden haben.

Worte, die diesen Bürgermeistern zeigen, dass viele Menschen hinter ihnen und ihrer Entscheidung stehen – einer Entscheidung, die in Rumänien derzeit sicherlich nicht einfach umzusetzen ist und darum unseren Respekt verdient.

Und wenn ich beim Christkind einen großen Weihnachtswunsch frei hätte, dann würden diese Bürgermeister gute alte Postkarten bekommen.
Postkarten mit schönen christkindlichen Motiven drauf, die nicht in Spam-Filtern hängen bleiben können.

Etwas, das sie in der Hand halten können und das sie vielleicht auch mit einem bisschen Stolz vorzeigen können.

Es wird vermutlich nichts an der für Straßenhunde dramatischen Situation in Rumänien ändern aber diese Bürgermeister wird es vielleicht in ihrem Tun bestärken und zumindest die in den betreffenden Gemeinden lebenden Hunde retten.

Da mir die Idee erst beim Schreiben der Geschichte kam, war nur wenig Zeit für Recherchen. Darum liegen mir nur die Adressen von zwei Bürgermeistern vor, die mit Tierschützern kooperieren und die Hunde nach erfolgter Kastration weiter auf den Straßen dulden.

Das Porto für eine Postkarte nach Rumänien kostet 0,75 €. Bei zwei Bürgermeistern wären das also 1,50 € und ein paar Minuten Zeit. Ich würde mich freuen, wenn der eine oder andere Lesende diese Investition tätigen würde – in Gedanken an Mihail.

Die Adressen der beiden Bürgermeister:

(Aus Datenschutzgründen gelöscht, aber sicher über Google aufzufinden.)

Textvorschlag

Stimate Domnule Primar,

doresc sa va multumesc pentru atitudinea umana fata de ciinii maidanezi din orasul Dumneavoastra si va doresc mult succes in continuare.

Din tot sufletul va urez und Craciun si un an nou fericit!

Auf deutsch:

Sehr geehrter Bürgermeister,

ich möchte Sie für Ihren humanen Ansatz beim Umgang mit den Straßenhunden in Ihrem Ort beglückwünschen und wünsche Ihnen viel Erfolg auf diesem Weg.

Ich danke Ihnen von Herzen für diese Entscheidung wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein erfolgreiches neues Jahr.

05.12.2013

07.12.2013


weihnachtstiere

Oder einen Gutschein über einen Tierheimbesuch im neuen Jahr!

Niemals ein Tier verschenken, ohne zuvor gefragt zu haben, ob es erwünscht ist!!
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Eltern sollten sich immer bewusst sein, dass SIE die letztendliche Verantwortung für ein Tier haben und nicht das Kind - Egal ob Hund, Katze oder Meerschweinchen und egal, was man vorher sagt!!

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