Endlich wollte ich mir den seit geraumer Zeit gehegten Traum vom Dritthund erfüllen.
Meine beiden Oldies würden jeden Hund, den ich dazu holen würde, akzeptieren, da war ich sicher. Also machte ich mich auf die Suche. Bei „meinem“ Verein, wo die Hunde in Gruppenhaltung untergebracht waren, würde ich bestimmt einen rudeltauglichen Kandidaten finden, also fuhren wir hin, mal schauen.
Bei den Hunden, die ich mir im Vorfeld als passend ausgeguckt hatte, sprang der Funke nicht über. Einer gefiel mir gut, aber der wäre kein guter Partner für meine alten Hunde gewesen, der hätte sie untergebuttert, der jugendliche Macho. Als ich ihn in seiner Gruppe so agieren sah, wurde mir vollends klar: ich wollte einen Hund, der sich einfügen würde, ohne die vorhandenen Hunde in Frage zu stellen.
Wir ließen uns weiter herum führen und kamen schließlich zu einem Gehege voller Rau- haarpodencos, die als Großgruppe von einer „Zucht“auflösung übernommen worden waren, und von denen nach einem Jahr noch etliche da saßen. Auf den Bildern hatten die mich gar nicht angesprochen, aber in echt gefielen mir einige davon richtig gut. Besonders die großen.
Unter diesen waren auch zwei „Underdogs“ der Gruppe. Die Pflegerin bestätigte uns, dass besonders eine dieser beiden niemals versuchte, aufzutrumpfen. Die war es also.
So kamen wir zu Alexandra, die bei uns zu Alex wurde.

Scheu war sie. Mehr schüchtern als wirklich ängstlich. Mit der Pflegerin und der Vermittlerin hatte sie kein Problem, aber uns Fremden wich sie aus.
Ich befürchtete, wenn ich sie in den Kofferraum des Kombis setzte, könnte sie beim Öffnen der Heckklappe durchwitschen, bevor ich sie sichern könnte. Und dann wäre sie weg. Sie würde nicht zu uns kommen und sich anleinen lassen. Also musste sie mit mir auf der Rückbank heim fahren, so dass ich sie vor Öffnen der Tür sicher an der Leine haben konnte.

Positiver Nebeneffekt war, dass sie so schon mal anfangen konnte, sich an mich zu gewöhnen. Das funktionierte auch ganz gut. Sie war natürlich verunsichert von der fremden Situation, aber irgendwann im Laufe der Fahrt legte sie sogar ihren Kopf auf mein Bein. Der Anfang war gemacht.
Die Zusammenführung der Hunde war genau wie ich mir das vorgestellt hatte: Snow und Flocke nahmen Alex freundlich auf, und diese war ihrerseits freundlich.
In den ersten Monaten suchte sie ab und an den Körperkontakt zu den anderen, das gab ihr wohl ein wenig Sicherheit. Rührend, wie sie sich ein Mal zu Flocke an/auf deren Bett quetschte: „lass mich dazu gehören bitte“.


Das verging aber, als sie sich vollends eingelebt hatte. Man mochte einander, unternahm auch gerne was gemeinsam, aber rückte einander nicht auf die Pelle. Das war Konsens.
Wie sie zu Katzen stand, war unbekannt. Katzen gab es in diesem Tierheim nicht. Aber auch das erwies sich als völlig unproblematisch. Sie nahm die Katzen von Anfang an mit mildem Interesse zur Kenntnis; nie war da der geringste Impuls, sie zu jagen. Im Gegenteil, die Katzen fühlten sich bei ihr gut aufgehoben.


Im Prinzip lebte Alex sich schnell und problemlos ein, baute auch schnell Vertrauen zu uns auf. Nur bei der Fütterung zeigte sie sich zunächst sehr unsicher.

Nach ein paar Wochen sah das schon anders aus, (Bild 6), aber lange, jahrelang, ging sie vom Napf weg, wenn wir zu nahe kamen.

Wie sie überhaupt Konflikten grundsätzlich gerne aus dem Weg ging und geht. Sie ist kein Hund, der seine Interessen durchsetzt. Sie ist zurückhaltend, weich, sensibel, eher melancholisch als fröhlich.
 
Draußen war sie von Anfang an pflegeleicht und auch recht sicher, ohne nennenswerte Umweltängste.
Selbst ihr Jagdtrieb schien sich in sehr überschaubaren Grenzen zu halten, erstaunlich bei ihrer Rasse. In Kaninchenland war und ist sie als Podenco natürlich in ihrem Element, und die Mäusejagd pflegte sie erfolgreich, aber im großen und ganzen konnten wir sie frei laufen lassen.

Vielleicht weil sie sich an den Alten orientierte. Denn als später die junge Hella einzog und hoch interessiert auf jede Witterung reagierte, änderte sich auch Alex' Verhalten, und zusammen mit Hella entdeckte sie ihren Jagdtrieb. Wir mussten also umdenken, und Freilauf gab es fortan nur noch auf ausgesuchten Strecken.

Jetzt, wo sie alt wird, hat sich dieses Problem weitgehend wieder erledigt. Nun kann man sich fast völlig auf sie verlassen – und sei es auch nur, weil sie einem Reh oder Hasen nicht mehr hinterher käme und das auch weiß.

Noch etwas änderte sich mit Hellas Einzug. Alex war nun, nach dem Tod der alten Hunde und der Ankunft der jungen Hella, die Große, und das schlug sich nach und nach in ihrem Verhalten nieder. Sie wuchs daran, wurde sicherer, übernahm tatsächlich die Rolle der Großen.
Sie, die nie mit anderen Hunden gespielt hatte, spielte nun mit der kleinen Hella,

und vorübergehend wurde auch wieder mit Körperkontakt gelegen.

Im Verlauf dieser Entwicklung gab es auch eine unangenehme Phase, wo sie anfing, ein paar ihr bekannte Hunde aus der Nachbarschaft anzugehen.
In den ersten Jahren hatte sie null Interesse an fremden Hunden gezeigt, ging von sich aus nicht hin, blieb neutral, wenn es zu Kontakt kam. Nun wollte sie es bei einigen wenigen wissen. Zum Glück blieb das eine Episode. Sie wuchs darüber hinaus, gewann an Souveränität und ist längst wieder zuverlässig neutral bis freundlich zu allen Hunden.
Anfangs war ich davon ausgegangen, Hella würde eines Tages, wenn sie alt genug wäre, die Führung übernehmen (sie war uns als Hund mit diesem Potenzial vermittelt worden), und Alex wäre damit zufrieden, aber das trat nicht ein. Alex hatte bis dahin so viel Sicherheit gewonnen, dass Hella sie nie in Frage stellte. Eine Rangordnung ist zwischen den beiden nicht festzustellen; sie agieren gleichberechtigt und freundschaftlich.


Zu mir hat Alex von Anfang an eine starke Bindung aufgebaut. Sie will bei mir sein. Wechsle ich im Haus den Aufenthaltsort, bettet auch sie sich um. Gehe ich weg, will sie mit. Das einzige Mal, dass sie über den Zaun gesprungen ist, war als ich mal ohne sie weg gehen wollte, während sie im Garten war. (Ich nahm sie dann mit.)
Bei aller Anhänglichkeit ist sie aber kein Schmusehund, sondern ist ihrem Wesen nach zurückhaltend geblieben. Sie kommt morgens beim Aufstehen zu einer Art Begrüßungsritual, aber dann ist es auch wieder gut. Sie will dabei und in der Nähe sein, holt sich auch mal zwischendurch ein paar Streicheleinheiten ab, aber das reicht ihr auch. Kuscheln ist nicht ihr Ding.
Fast 10 Jahre ist sie jetzt bei uns, und allmählich muss ich mich mit Wehmut mit dem Gedanken vertraut machen, dass sie alt wird. Sie hat angefangen, abzubauen. Sie bekommt jetzt regelmäßig Schmerzmittel, und damit geht es ihr wieder besser. Ich hoffe, das bleibt noch lange so und sie bleibt noch eine gute Weile bei mir, meine Große.

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