Ein Handicap- Hund geht seinen Weg

Den Tierschützern von Tiere kennen keine Grenzen verdankte es der Husky-Rüde Obelix, dass er als Notfall den Weg aus einem grenznahen französischen Tierheim in eine Pflegestelle der Nothilfe für Polarhunde e.V. fand.
Die Saarländer erschienen recht bedrückt am Ort der Übergabe, hatte sich doch der Zustand des mitgebrachten Hundes in den letzten Tagen weiter verschlechtert.
Von der durchgeführten Zirkumanaldrüsentumoren-OP hatten sie nichts gewusst, nur dass der Hund kastriert worden war.
Ihre Anfahrt war bestimmt von der bangen Frage, ob die NfP diesen Hund wohl so übernehmen würde oder ob er ins TH zurück müsse. Abgemagert auf nur noch 16 Kilogramm, ohne jede Bemuskelung und mit dem noch geklammerten After war sein Anblick ziemlich erschreckend. Ein vorhandener alter Lefzendefekt tat sein Übriges.
Viele Tierarztbesuche folgten. Analfisteln hatten sich gebildet und mussten wochenlang gespült werden.
In einer Bauchspeicheldrüsen-Insuffizienz fand sich schließlich die Ursache seines schlechten Allgemeinzustandes. Die verabreichten Enzyme schlugen schnell an, und nun rückten seine sonstigen Schwierigkeiten in den Vordergrund.

Der liebenswerte und verspielte Obelix zeigte sich zunächst, außerhalb des völlig problem- losen häuslichen Bereichs, als sehr "unangepasst", möglicherweise Folge einer früheren isolierten Haltung.
m Auto lautstark und unruhig, im Tierarzt-Wartezimmer ebenso, auf Spaziergängen ein auf den Hinterfüßen tobendes, lärmendes "Leinenmonster", das mit Artgenossen nicht zurecht kam. Die Begegnungen mit freilaufenden, sich dem Einwirkungsbereich ihrer erfolglos rufenden Besitzer entziehenden Hunden endeten meist in Keilereien, teilweise in Beißereien.
Ernsthafte Sorgen waren die Folge, denn Obelix kann durch den Lefzendefekt keinen Maulkorb tragen - was würde geschehen, wenn er beim Ordnungsamt auffällig würde? Eine Lösung musste gefunden werden. Zunächst dachten wir, die freiliegenden Zähne könnten als Dauerbedrohung von Art- genossen empfunden werden und besprachen uns mit einer Tierklinik, die "kosmetische" Verbesserungen als machbar, aber aufwendig und nicht ganz risikofrei einstufte.
Daher verfolgten wir den Gedanken weiter, Obelix selbst könne das Verhalten seiner Artgenossen mitverschulden, da er recht hektisch, grob und tölpelhaft agierte.
Wir stellten ihn einem Hundetrainer mit Erfahrung im Bereich "Problemhunde" vor, der sich viel Zeit für unseren Tierschutzfall nahm und schließlich seinen eigenen, sehr souveränen Rüden Carlos zu Obelix auf den Platz ließ.
Dieser agierte zunächst wie gewohnt - heran- donnern, aufbauen - und guckte irritiert, denn Carlos ließ ihn einfach links liegen, überdeutlich signalisierend, dass er keinesfalls an Ärger interessiert war. Unser Polarhund versuchte es ein weiteres Mal, erfolglos, und ratlos stand er an seiner Schleppleine auf dem Platz.
Sein nächster Ansatz war bedeutend ruhiger, eine von seiner Seite sehr staksige und ungelenke Begrüßung von Carlos war die Folge. Aber das Eis war gebrochen, die Einzelbegegnungen mit drei weiteren Trainerhunden verliefen ebenfalls ohne Zwischenfall.
Die sich anschließende Teilnahme an einer ersten Gruppenstunde war ein derart auf- regendes Ereignis, dass er zwei Tage brauchte, um sich von seiner Erschöpfung zu erholen.
Nicht einer der Hunde reagierte auf seine freiliegenden Zähne, alle nahmen sein Gesamt- verhalten wahr.

Einmal in der Woche übt Obelix seither an wechselnden Orten Alltags- und Sozialverhalten, und in jede Gruppenstunde ist eine Freilauf- und Spielphase integriert.
Zunehmend gewinnt er an Sicherheit, ist ein ruhiger und ausgeglichener Hund geworden, der nur noch selten das "Leinenmonster" zeigt. Entspannt wartet er beim Tierarzt und ist beim Autofahren kaum mehr zu hören.
Auch außerhalb der Hundeschule hat er viele Artgenossen kennengelernt; Mühe bereiten ihm lediglich noch Begegnungen mit größeren Rüden.

Manch anderer Hundebesitzer stuft Obelix auf den ersten Blick als "aggressiv" ein, zu sehr auf den Lefzenbereich achtend, Körperhaltung und Schwanzstellung nicht wahrnehmend. Die zugehörigen Hunde sehen es lockerer, stimmt die Gesamt-Körpersprache, dann sind so ein paar sichtbare Zähne irrelevant.
Obelix selbst stört der Defekt ebenso wenig wie die Tatsache, dass er wegen eines nicht intakten Sprunggelenks keine rassetypischen Zugarbeiten ausführen darf; zufrieden und nordisch etwas eigenwillig geht er seiner Ersatzbeschäftigung Hundeschule nach.
Unser Dank geht an die Spender und Paten von Obelix, die das ihrige zu seinen für Medikamente, Tierarztbesuche und Hundeschule entstandenen und entstehenden Kosten beitragen.
Ein besonderer Dank geht an die Tierschützer von “Tiere kennen keine Grenzen”, die die Verantwortung für Obelix nicht mit der Übergabe beendet sahen und sich weiterhin (auch finanziell) eingebracht haben.

Einen Interessenten hatte der anhängliche Handicapler bisher leider nicht.
Nothilfe für Polarhunde e.V. , November 2006
27. November 2007
Leider ist Obelix heute über die Regenbogenbrücke gegangen. :-(
Machs gut, hübscher Junge!
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