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Rudi

oder
Nimm die Eule

Ich kann gar nicht mehr genau sagen wann ich das erste mal von „der Eule“ gehört habe.

Wer oder was „die Eule“ ist?

Es sollte sich um einen Miniatur Bullterrier handeln der aus gesundheitlichen Gründen den Kopf oftmals schief trägt und diesen dann dreht wie eine Eule. Es bestand der Verdacht, dass es sich um einen Wasserkopf handelt.

Das Kerlchen befand sich noch bei seinem Züchter, sollte ins MRT und dann in gute Hände vermittelt werden. An dieser Stelle kam Bullterrier in Not ins Spiel und unsere Frau Schürmann zu mir.

Scotte hatte uns im Januar verlassen und ich brauchte wirklich Zeit, um durchzuatmen. Dieser alte, pflegebedürftige und verwöhnte Herr hat mich rund um die Uhr gescheucht, mich nervlich, körperlich und finanziell an meine Grenzen und manchmal auch darüber hinaus gebracht. Er fehlte nun an allen Ecken und Enden, und trotzdem war mir klar: Es zieht kein vierter Hund mehr ein! Drei sind wirklich genug, das sieht ja wohl jeder ein.

Na ja, fast jeder. Wäre da nicht die Stimme in meinem Telefon gewesen:

“Was machen wir mit der Eule?”
 
„Die Eule“ war inzwischen im MRT. Kein Wasserkopf, vermutlich keine Abiothrophie. Aber ein nicht richtig ausgebildeter Gleichgewichtssinn. Naja, damit kann er leben. Wenn ich die Eule auch nicht haben wollte, aber ich hatte eine Idee für eine Endstelle, und zur Überbrückung stand eine Pflegestelle parat.
 
So reiste die Eule, die inzwischen Rudi hieß, in Richtung Hannover. Da lernte ich den Fratz dann auch kennen. Nett. Wirklich nett. Mini-Bulli, süßer Kopf, groß, fast ein Jahr alt, verträglich. Verliebt habe ich mich nicht, aber das war ja auch nicht nötig, er sollte ja nicht zu mir. Aber erstens kam es anders und zweitens als man denkt.

Die auf der Pflegestelle vorhandene Hündin hatte Angst vor dem Zwerg. Damit hatte niemand gerechnet. Die Pflegeeltern und die Hündin waren mir seit Jahren bekannt, die Hündin bewegt sich normalerweise recht sicher zwischen bekannten und unbekannten Artgenossen. Mit sowas hatte keiner gerechnet, aber die Maus zog sich in die obere Etage der Wohnung zurück und lebte seit dem Einzug des kleinen Mannes dort oben.

Ende vom Lied: „Die Eule“ kam als Zwischenlösung zu mir. Meine gemischte Gruppe hat den unkastrierten Rüden auch problemlos aufgenommen, wofür ich meinen Schätzen sehr dankbar war.

Es gab eine Interessentin die uns sehr gut gefiel, ich hoffte den Gast schnell wieder loszuwerden. Erwähnte ich es schon? Erstens kommt es anders und zweitens…

Die Dame sprang ab, Rudi wickelte uns immer mehr um seine dicken Pfoten, meine Widerstandskraft schwand dahin. Nach nur einer Woche ging meine Meldung an Bullterrier in Not raus: „Ihr habt gewonnen, ich behalte die Eule!” :-)

Happy End - Geschichte zu Ende?
 
Nein, erstens kommt es anders, und zweitens…

Nach nur anderthalb Wochen schoss Rudi nachts im Schlaf hoch, griff zu, erwischte das Ohr meines anderen Rüden und hielt fest. Es dauerte gefühlte Ewigkeiten bis ich das Licht anhatte und die Kröte von meinem schreienden Tamaro abgepflückt hatte. Es folgte eine nächtliche OP, einige Stunden Klinik für Tami und Ratlosigkeit bei uns Zweibeinern.
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Zum Glück und fast wider erwarten gingen die Jungs beim ersten Wiedersehen völlig normal miteinander um.
 
Aber Rudi entwickelte sich in die völlig falsche Richtung. Er wurde immer unberechenbarer, stand total unter Streß, war draußen immer mehr nur auf der Flucht und neigte dazu, zuzubeißen. In Spitzenzeiten hatte ich ihn von den anderen getrennt oder er lief mit Leine und Maulkorb, auch in der Wohnung.

Das Schlimme und Merkwürdige war, dass der Hund zuckerzuckersüß war, mit meinem Rüden spielen wollte, kuschelig war, nie Theater machte wenn alle um mich rumsaßen und es Leckerchen gab. Und wenn er gerade ansprechbar war, konnte man ihn sogar durchaus als lernwillig und kleinen Streber bezeichnen. :-) 
Bis… Ja, bis er sich von jetzt auf sofort in einen anderen Hund verwandelte. Es reichte ein schreiendes Kind draußen und er guckte sich in der Wohnung hektisch um und biss in das erste, was ihm vors Gesicht kam.

Geschlafen hat er seit dem Vorfall nachts in einer Box, die neben meinem Bett stand. Die Monate waren der Horror. Ich kann nicht mehr zählen wie oft ich abends heulend vor der Box mit dem erschöpft schlafenden Hund saß.
Ich brauchte tagsüber alle meine Kraft um die Gruppe zu händeln, und egal wie stressig es war: Der kleine Hund tat mir einfach nur leid. Ich habe mir das Hirn zermartert. Fehler bei mir gesucht, in meiner Gruppe, bei seinem Züchter…

Konnte ich es meinen anderen Hunden gegenüber überhaupt noch vertreten Rudi zu behalten? Aber wenn nicht, wohin mit ihm?

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Vielleicht war der Hund doch einfach unverträglich, war das Testosteron schuld, die Pubertät? Ich konnte es nicht glauben, habe das Internet durchforstet, die Tierärztin und die Heilpraktikerin belästigt, Tierkommunikation eingesetzt. Rudi selbst sagte, er könne nichts dazu, die Krankheit sei schuld.

Wir sind aus dem schönen Ruhrgebiet raus ins entfernte München gefahren, um bei Herrn Dr. Jurina ein MRT machen zu lassen. Er fand eine Zyste im Kopf, alles in allem lautete der Verdacht mit dem wir nach Hause fuhren: Epilepsie.

Es folgte eine Zeit der Ernährungsumstellung, der Zusatzmittel und des „gehobenen Managements“ :-) Die Beiß-Anfälle traten tatsächlich nicht mehr auf, aber das Gehetzte blieb.

Ich ließ Blut untersuchen, hatte die Schilddrüse im Auge. Nichts. Alle Werte im Rahmen und drei Leute bestätigten mir: Alles gut. Ich war ratlos und einfach nur fertig, der Hund hetzte durch die Gegend, unberechenbar und gestresst wie immer.

Und dann kam der Aben,d der uns die Wende brachte.

Ich las von einem jungen Hund mit Schilddrüsenunterfunktion, die Beschreibung paßte zu 100% auf Rudi. Ich gab bei google, warum auch immer, die Worte Schilddrüse und Epilepsie ein. Und ich fand unsere Rettung.

Eine Studie von Jean Dodds in der kurz auf die subklinische Variante der Schilddrüsen- erkrankung eingegangen wurde. Ich war wie elektrisiert, als ich bei der typischen Krankengeschichte ankam, die mit einem völlig wohlerzogenen und liebenswerten Welpen oder Junghund beginnt.

Das Tier war kontaktfreudig, besuchte Hundeausbildungskurse, Leistungsveranstaltungen oder Hundeausstellungen und kam von einem seriösen Züchter, dessen Zwinger keine frühere Vorgeschichte von gezüchteten Welpen mit Verhaltensproblemen gehabt hatte.
Zu Beginn der Pubertät oder danach werden plötzliche Veränderungen in der Persönlichkeit beobachtet, z.B. Nervosität, schizophrenes Verhalten, Furcht vor Fremdem, Hyperventilation und übertriebenes Hecheln, Aufmerksamkeitsversagen…
Diese Veränderungen können voranschreiten bis zur plötzlichen, unprovozierten Aggressivität in unvertrauten Situationen. Nach den Episoden verhalten sich die meisten Tiere, als kämen die aus einem Trancezustand, und sind sich ihres vorherigen Verhaltens nicht bewusst.

Bingo, hier wird Rudi live beschrieben. Und: Das Ganze geht bis hin zu epileptischen Anfällen.
 
Ich habe mit Mühe bis zum nächsten Morgen Punkt acht Uhr durchgehalten und dann eine Tierärztin aus der Überweisungsliste der Gesellschaft für Tierverhaltensmedizin und -therapie angerufen. Nur zwei Tage später reisten wir an. Nach zwei Stunden ausführlicher Befragung und Begutachtung war ich erschlagen von Informationen und um einen Lichtblick reicher.

Am Folgetag begannen wir Forthyron einzuschleichen. Schon die absolute Minidosis mit der wir begannen brachte nach nur drei Tagen eine erste Verbesserung. Ich konnte mein Glück – unser Glück – gar nicht fassen und traute mich noch nicht mich zu freuen.

Der Beginn der Therapie ist inzwischen zwei Monate her. Wir haben uns langsam an Rudis „Wohlfühl- Dosis“ herangetastet, und heute kann ich sagen: Es geht uns guuuut! Ich habe wieder den kleinen aufgeweckten verträglichen Quatschkopf den ich damals übernommen habe.

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Das einzige was blieb ist, dass ich abends oftmals mit feuchten Augen vor dem schlafenden Hund sitze. Aber inzwischen liegt der Hund entspannt schlafend auf seinem Lieblingssessel und die Tränen in meinen Augen sind Tränen der Erleichterung und Freudentränen.

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Und deswegen bleibt mir jetzt nur noch die berühmte Dankesrede:

Danke an einen Züchter, der Geld in einen Hund investierte mit dem sich keines mehr verdienen ließ.

Danke an alle, die uns unermüdlich geholfen haben, die mich ratlos und rastlos ertragen haben und sich mit mir den Kopf zerbrochen haben.

Und danke an Frau Schürmann, die mir eine Eule aufquatschte, die ich nicht haben wollte. Und die ich heute für kein Geld der Welt wieder hergeben würde!

Rudi-Schatz, ich liebe Dich!!!! 

24.12.2010

02.12.2011


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Oder einen Gutschein über einen Tierheimbesuch im neuen Jahr!

Niemals ein Tier verschenken, ohne zuvor gefragt zu haben, ob es erwünscht ist!!
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