cg_logo_lks

Senta

Ich kenne zwei Hunde, die unsichtbar sind.

Einer ist schwarz und alt, mit grauer Schnauze und scheuen Augen, und seinen Nasenrücken bedeckt eine Brandwunde. Diese ist ein Teil des unseligen Zaubers, der den Hund unsichtbar macht.

Der schwarze Hund hat Angst. Angst vor Menschen und dem Unbekannten. Deshalb bellt und knurrt er wie besessen, wenn sich Fremde seinem Zwinger nähern. Neben den anderen, den freundlichen, neugierigen, jungen oder bunten Hunden verschmilzt der schwarze Hund mit der Umgebung, sein Gebell wird überhört, seine panischen Sprünge übersehen.

Wenn doch einmal ein Besucher den Hund bemerkt, fällt sein Blick zuerst auf die Brandwunde, und seine Augen gleiten vom schwarzen Hund ab wie Wasser von einer Scheibe und fallen auf den bunten, jungen oder exstatisch wedelnden Hund im Nachbarzwinger.

Keiner macht sich die Mühe, nach dem unsichtbaren Hund zu fragen, und so weiß niemand, dass die Schwarze eine Hündin ist, und keiner erfährt ihren Namen: Senta.

Adv13_7_1
Senta, die Rumänin, die so viel Angst hat, dass sie beißt.

Die Hündin, die sich einnässt, wenn jemand auf sie zu kommt, die kein Futter von Fremden nimmt und die noch keine Pfote vor die Tierheimtür gesetzt hat, weil sie sich vor der Leine fürchtet.

Weil ich genau hinsehe, die Unsichtbaren immer bemerke, den geisterhaft silbrigen, majestätischen Schatten eines panischen Hundes ebenso wie den schwarzen Derwisch im Zwinger neben meinem Pflegling, habe ich das Privileg, Senta kennen lernen zu dürfen.

Zunächst war sie überrascht, dass ich ihren Namen kannte und sie jedes Mal damit ansprach, wenn ich ihre Nachbarin zum Spaziergang abholte. Dann reagierte sie erschrocken, denn wer ihren Namen kennt, der bemerkt sie, und bemerkt werden ist gefährlich.
Doch mit der Zeit, ganz allmählich, gewöhnte sie sich an mich und nahm mit langem Hals und spitzen Zähnen Futter aus meiner Hand, und das, obwohl ich mit dem Feind verbündet war, dem Feind im Hundepelz, ihrer Nachbarin.

Wir knüpften ein zartes Band aus Respekt und Futter, und irgendwann freute sich Senta, wenn ich kam, auch wenn es nie war, um sie zu besuchen.

Eines Tages zog meine Pflegehündin in ihr neues Zuhause, wo sie all die Dinge zeigen konnte, die sie bei mir gelernt hatte, und ich bekam eine neue Aufgabe:
Senta, der unsichtbaren Hündin, die Welt zu zeigen.

Zunächst erschien das unmöglich, denn man sagte mir, sie gehe sehr ungern und äußerst unwillig durch das große Tor hinaus und würde sicherlich beißen, wenn die Leine sich ein wenig spannte. Das mochte ich so gar nicht glauben, kannte ich doch ihre sanfte Seite, die zarte Scheue, mit der sie mir das Futter aus der Hand nahm, und ihre schönen, ängstlichen Augen, inzwischen sehr genau.
Egal, wie viele Hunde um sie herum waren, ganz gleich wie jung, putzig oder bunt sie waren, es gelang Senta schon lange nicht mehr, vor meinen Augen unsichtbar zu werden.

Unser erster Ausflug war ein voller Erfolg.

Adv13_7_2
Nachdem die Schwarze, auf einmal mit einer langen Leine an mich gebunden, sich vor meinen Augen nicht mehr in Luft auflösen konnte, versuchte sie eine andere Taktik:

Sie verwandelte sich in ein Schaf in der Hoffnung, ich würde ohne sie weitergehen.
Lange Zeit standen wir am Feldrand neben dem großen Tor und ich sah ihr beim Grasen zu. Irgendwann begriff sie dann jedoch, dass ich ihr das Schaf nicht abnahm, und wir konnten uns auf den Weg machen.

Von da an machten wir viele gemeinsame Ausflüge in den Wald, wo mein unsichtbarer Hund noch häufig vor den Augen von Passanten mit dem Erdboden verschmolz und ich plötzlich wie eine Idiotin mit der scheinbar leeren Leine im Nirgendwo stand und beruhigend auf etwas einredete, das außer mir keiner sehen konnte.

Das ist die Krux mit einem unsichtbaren Hund:
Die Menschen halten dich für verrückt, wenn du mit ihm unterwegs bist.

Mit der Zeit jedoch wurden die Phasen der Unsichtbarkeit immer kürzer, die Momente, in denen Senta vom Erdboden verschwand, immer seltener, und mittlerweile gehe ich mit ihr spazieren wie mit einem ganz normalen Hund. Wir sind ein sehr gutes Team, mein nicht mehr unsichtbarer Hund und ich, und das hätte noch lange so weitergehen können, wäre da nicht das liebe Geld, oder eher, der Mangel daran.

Sentas Heim muss schließen, und es war klar, dass sie fortgebracht werden würde, in ein anderes Heim, wo sie ganz sicher wieder unsichtbar würde. Das konnte ich nicht zulassen, denn Senta ist alt, und die langen Jahre, die sie dort brauchen würde, um wieder allmählich sichtbar zu werden, bleiben ihr wahrscheinlich nicht mehr.

Es wäre furchtbar, meine Schwarze zu verlieren, in mehr als einer Hinsicht, denn wenn niemand mehr ihr strahlendes Lächeln sieht, mit dem sie mich anschaut, wenn sie sich freut, dass ich da bin, oder das stolze Grinsen, das sie mir schenkt, wenn wir gemeinsam an etwas Gruseligem vorbeikommen und sie sich nicht mehr fürchtet, dann wird sie wieder vollkommen von der Bildfläche verschwinden.

Deshalb habe ich mich entschieden, nach langen Jahren der Abstinenz, entgegen allen Widrigkeiten, wieder einen Hund zu adoptieren. Das hatte ich ohnehin geplant, doch ich dachte an einen wilden Jungspund, der mit mir zusammen die Welt unsicher macht, der rennt und läuft und nichts und niemanden fürchtet, einen sportlichen Frechdachs, mit dem ich durch dick und dünn gehen könnte.

Statt dessen werde ich eine alte Dame mit nach Hause nehmen, schwarz, grauschnäuzig und mit einer riesigen Brandnarbe auf dem Nasenrücken, einen herzkranken Hund, den die meisten Menschen übersehen, und den sie, wenn sie ihn doch bemerken, als hässlich bezeichnen.

Aber auch einen Hund, der für mich das schönste Lächeln der Welt hat und mit dem ich gar nicht mehr anfangen muss, dick und dünn zu suchen, denn wir sind längst dort gewesen, Hunderte von Malen, in Form von Radfahrern, Lastwagen und Bahnsteigen, und wir werden es wieder tun.

Gestern war Senta bei mir zu Besuch, ein aufregender Tag, denn sie hat in ihrem langen Leben noch nie in einer Wohnung gelebt.

Entgegen aller Befürchtungen war sie recht entspannt, und es gab nur einen Augenblick, in dem sie sich unsichtbar zu machen versuchte, unten am Fuß der Treppe, die sie nicht steigen wollte. Doch wenn man erst einmal weiß, wonach man suchen muss, findet man sie sofort, auch in den Momenten, in denen sie alles versucht, um mit dem Boden zu verschmelzen.

Adv13_7_6
Als die Treppe endlich geschafft war, durchstreifte kein unsichtbarer Hund meine Wohnung, sondern ein munteres, neugieriges Bündel aus wedelndem, schwarzen Fell, das sogleich seinen brandnarbigen Rüssel in alle Ecken steckte, die Tüte mit der zu flickenden Kleidung durchwühlte und schließlich die Badematte als ihren neuen Schlafplatz auserkor.

Da lag sie nun, meine zukünftige Mitbewohnerin, und wollte gar nicht wieder aufstehen, um mit ihrer Pflegerin zurück ins Heim zu fahren. Denn gestern war nur ein Test. Die wahre Prüfung wird am Freitag beginnen, wenn ich meine unsichtbare, wunderschöne Hündin endgültig zu mir nach Hause hole.

Dann werden wir meine Stadt erkunden, und ich kann mich schon mal an den Gedanken gewöhnen, dass mein Leben ab jetzt viel komplizierter sein wird, denn hier gibt es so viel Neues zu entdecken, das meine Senta erschrecken wird: Da wäre die neue Tierärztin, die große Kreuzung, die wir jeden Tag überqueren müssen, um zum Wald zu gelangen, die Innenstadt und vor allem der Bahnhof mit seinen Zügen, in die wir früher oder später gemeinsam werden einsteigen müssen.

Ich bin ein wenig nervös, freue mich aber gleichzeitig sehr, mit dem schönsten alten Hund der Stadt unterwegs sein zu dürfen, auch wenn ich die einzige sein werde, die das weiß – denn für alle anderen wird Senta für eine ganze Zeit unsichtbar sein.

Und wenn sie mich alle für etwas verrückt halten, weil ich mitten in der Stadt beruhigend auf einen Fleck Straßenpflaster am Ende einer scheinbar leeren Leine einrede, dann werde ich leise vor mich hin lächeln, denn ich weiß, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis mein unsichtbarer Hund sich heimisch fühlen und für alle Welt sichtbar werden wird – und dann wissen sie alle, dass mein Hund das schönste Lächeln hat.

Adv13_7_3

Es liegt in der Natur der Sache, dass Senta, seit sie bei mir eingezogen ist, viele „erste Male“ erlebt. Der erste Spaziergang im neuen Wald, das erste ganz eigene Geschirr, das erste Mal Treppe tragen ohne Angstpipi... Ich könnte ewig so weitermachen.

Warum also ein Kapitel über das Thema, wenn sowieso jeder Tag voller erster Male ist?

Weil heute ein ganz besonders spannender Tag war, der unvorhergesehen so viele erste Male brachte, dass ich sie einfach aufzählen muss, denn Senta hat sie alle bravourös gemeistert.

Es fing alles ganz harmlos an, mit dem ersten Besuch beim Tierarzt. Die beste Tierärztin der Stadt und ich hatten ja bereits vor Sentas Einzug eifrig Pläne geschmiedet, wie man meinen unsichtbaren Hund ganz behutsam an das Thema heranführen könnte, denn bislang kannte sie nur eine einzige Tierarztpraxis von innen, nämlich die, mit der das Tierheim zusammenarbeitete.

Dort ging es rau, aber herzlich, zu, denn der Cheftierarzt ist ein waschechter Landtierarzt, und wenn ein Hund vom Tierheim hin musste, wurde eher vorbeugend der Maulkorb angelegt, die notwendige Behandlung vorgenommen und ab ging’s nach Hause. Klar, für ein Tierheim ist das nicht anders machbar, aber ich hatte vor, Sentas Umzug für einen neuen Start in Sachen Tierarzt zu nutzen.

Unserem Schlachtplan folgend sind Senta und ich einige Male durch die Straße gelaufen, wo die Ärztin ansässig ist, ein- oder zweimal haben wir es sogar bis direkt vor die Tür geschafft, wenn auch immer zu Zeiten, zu denen keine Sprechstunde war. Heute war es dann aber soweit, Senta sollte Frau Doktor kennen lernen.

Wie verabredet klingelten die zukünftige Patientin und ich 10 Minuten vor Sprechstunden- beginn an der Praxistür und wurden auch prompt eingelassen. Da im Wartezimmer bereits ein kleiner Hund auf dem Arm seines Besitzers herumdämmerte (er hatte eine Narkose gesetzt bekommen und sollte auf deren Einsatz warten), bat die Ärztin uns ins Sprechzimmer.

Dort plauderten wir über Sentas zahlreiche Fortschritte, während die Ärztin Medikamente sortierte, die Karteikarte des kleinen Schlafenden aktualisierte und nebenher immer mal wieder, ganz hinterhältig, wie ich finde, die Hand hinter ihrem Rücken hängen ließ, bis sich Senta herantraute.

Das Resultat dieser vorsichtigen Ignoranz konnte sich sehen lassen:
Nach nur fünf Minuten ließ sich meine Angsthäsin von ihrer zukünftigen Tierärztin die Schnute kraulen und sogar schon rudimentär untersuchen, sprich, das Rückenfell gegen den Strich streicheln, um ihre Haut zu zeigen. Zwar weigerte sie sich standhaft, für Frau Doktor „sitz“ zu machen und nahm auch kein Leckerchen, aber schließlich muss es ja ein paar Privilegien geben, die mir vorbehalten sind, oder nicht?

Als der kleine Hund tief und fest eingeschlafen war, verließen Senta und ich die Praxis, und ich war wieder einmal wahnsinnig stolz auf meinen Hund.

Adv13_7_7
Weil Senta das Tierarzttraining so gut überstanden hatte, wagte ich mich gleich noch ein paar Straßen weiter zu meiner Lieblingsbuchhandlung, um eine Bestellung abzuholen, natürlich ein Hundebuch. Da man mich dort schon lange kennt und ich auch da schon vor Sentas Einzug mit ihr angegeben hatte, war die Buchhändlerin im Bilde, wie man mit unsichtbaren Hunden umgeht, und beachtete Senta gar nicht.

Das Ergebnis war ein ziemlich entspannter Hund, der jetzt gelernt hat, dass Buchhandlungen keine Hunde fressen.

Beflügelt von so viel Erfolg drehten wir noch eine kleine Runde durch ein leeres Kleidergeschäft, wo mich ein kleines Mädchen von etwa sechs Jahren mit den Worten überraschte: „Dein Hund hat ja Angst.“

Zwar hatte Senta nicht wirklich Angst, aber der Kleiderladen überforderte sie ein wenig mit seiner Musik und den drei neugierigen Verkäuferinnen, die uns mit Argusaugen beobachteten. Als ich das Mädchen fragte, woran sie das gemerkt habe, antwortete sie mir mit dem Tonfall einer Expertin, sie habe auch einmal einen Hund gehabt, der sich manchmal gefürchtet habe.

Ich nutzte die Chance und plauderte ein wenig mit der Kleinen, um Senta die Gelegenheit zu geben, ihr erstes Kind in Augenschein zu nehmen. Als wir schließlich wieder zu Hause waren, wurde natürlich erst einmal gefressen und dann geschlafen, denn die vielen neuen Eindrücke wollten verarbeitet werden.

Mittags kam es dann unerwartet zu einem weiteren ersten Mal: Da mein völlig verrückter Zeitplan für den heutigen Tag es mir nicht erlaubt hätte, mit Senta nach der Arbeit noch im Hellen eine lange Runde zu drehen, beschloss ich spontan, das Angebot meiner Chefin anzunehmen und Senta zu einem Antrittsbesuch bei der Arbeit mitzunehmen.

Dass sie dazu mit der Bahn fahren musste, erschien mir wie ein vergleichsweise kleines Hindernis neben dem, was sie schon so alles geschafft hatte. Den Bahnhof hatten wir ja schon besucht, Züge an sich waren auch noch nie ein Problem, also dachte ich, was soll’s, versuchen wir es.

Weil ich mich mit ängstlichem Hund keinesfalls in das übliche hektische Gedränge beim Fahrkarten- automaten stürzen wollte, ging es zuerst ins Servicecenter, wo das Frauchen von Sentas Freund Tyson arbeitet. Diese stürzte sich wieder mit überschäumender Begeisterung auf Senta, die das stoisch über sich ergehen ließ – sie kennt es ja schon von dieser Frau und scheint damit ganz gut klarzukommen, auch wenn man ihr ansieht, dass sie wenig begeistert ist.

Aber da ist sie tolerant:
Solange sie sich nicht wirklich bedroht fühlt, lässt sie es über sich ergehen. Wir plauderten noch ein wenig über die Hunde und über unsere gemeinsame Tierärztin, die ein riesiger Tyson-Fan ist, dann wurde es Zeit, zum Bahnsteig zu gehen.

Der einfahrende Zug war zwar ein wenig unheimlich, aber kein ernsthafter Grund zur Besorgnis. Einsteigen wollte Senta allerdings nicht, wie sie mir durch einen beherzten Sprung zur Seite kundtat. Da am Bahnsteig keine Zeit für lange Diskussionen bleibt, beugte ich mich herunter, hob Senta auf und... RATSCH!! Diese unüberlegte Bewegung war das Ende meiner Lieblingsjeans.

Glücklicherweise befindet sich der neue, lange Riss nicht am Hintern, sondern bloß am Oberschenkel, so dass ich die Hose zumindest für den Haus- und Hundegebrauch noch flicken kann und bei der Arbeit nicht wie ein totaler Depp rumrennen musste. Da ich mit dieser Aktion die Lacher auf meiner Seite hatte, konnte sich Senta entspannt zurücklehnen und wieder unsichtbar machen, was für einen Hund im Zug gar nicht so einfach ist, denn normalerweise werden diese ja bestaunt wie die, nun ja, die bunten Hunde.

Adv13_7_8
Aber Senta verschmolz mit den Schatten meines Missgeschicks, und somit war die Bahnfahrt nur halb so schlimm. Während der fünf Minuten Fahrt untersuchte sie zaghaft den Wagen, beobachtete erstaunt, wie die Welt draußen vorbeiraste und bemühte sich um Balance.

Beim Aussteigen musste ich eine Dame mit Fahrrad freundlich darauf hinweisen, dass sie bitte nicht drängen möge, wenn die Türen aufgehen, weil ich nicht sicher sei, ob Senta von sich aus aussteigen würde oder ob ich sie wieder würde tragen müssen.
Die Frau sah mich zunächst erstaunt an, bis sie Senta bemerkte, die unauffällig mit dem Teppich verschmolzen war, und zeigte sich nun, da sie die Unsichtbare erspäht hatte, ebenso gespannt wie ich, ob der Hund aussteigt oder nicht.

Was soll ich sagen? Sie tat es. Ohne sich an dem Spalt zwischen Zug und Bahnsteig zu stören, vor dem immerhin große Schilder an den Türen warnen, hüpfte sie aus dem Waggon, als hätte sie nie etwas Anderes getan. Danach war der Weg zum Büro nur noch ein Klacks, und der Fahrstuhl, wenn auch gruselig, kein wirkliches Hindernis mehr.

Im Büro bewegte sie sich nach wenigen Minuten, als sei sie schon hundertmal dort gewesen. Besonders angetan hatte es ihr der Balkon, von dem ich sie schließlich verbannen musste, denn sie war ja noch nie im ersten Stock draußen, und ich hatte etwas Angst, dass sie auf die Brüstung zu klettern versucht.

Meine Chefin ignorierte Senta brav, wurde aber nicht belohnt, zumindest nicht in ihren Augen.
Ich fand es großartig, wie wenig Angst die Unsichere zeigte, wenn sie sich heimlich von hinten an meine Chefin heranschlich, diese es nicht merkte und beim Wenden gegen den Hund stieß, wie neugierig Senta aus der Ferne war und wie furchtlos sie reagierte, als das Laptopkabel auf sie herunterfiel, aber meiner Chefin wäre es natürlich lieber gewesen, Senta hätte sich streicheln lassen. Ich denke, das wird sie auch tut, wenn sie ein paar Mal mitkommt.

Meine Schüler, alles Kids im Alter zwischen 12 und 14, waren ganz großartig. Nachdem ich gefragt hatte, ob jemand Angst vor Hunden habe, verneinten sie alle und hielten sich punktgenau an die von mir ausgegebenen Regeln:

   Der Hund wird nicht angesprochen.
   Der Hund wird nicht angefasst.
   Wenn der Hund von selbst ankommt, setzt das 1. und 2. außer Kraft.

Zwar ließ sich Senta von keinem der Kids streicheln, aber sie schlich neugierig an alle heran, während sie arbeiteten, und wickelte sie mit dem ihr eigenen unaufdringlichen Charme ein. Ich hätte nie gedacht, dass meine Kleine von sich aus die sichere Unsichtbarkeit verlässt und den Kids einen Blick gewährt.

Weil wir aufgrund einiger schwänzender Schüler (hätte ich in dem Alter in den Ferien sicherlich auch versucht) zu einer ziemlich schrägen Zeit Feierabend hatten, ging es nach dem Grusellift noch in die Zoohandlung, einen neuen Beutel Futter und eine zweite Hundedecke einkaufen.

Dort, in dem Laden, in dem ich seit Jahren einkaufe, geschah ein kleines Wunder:
Eine Verkäuferin, die gerade Waren einräumte, sah mich hereinkommen und erkannte auf den ersten Blick den unsichtbaren Hund an meiner kunterbunten Leine und fragte mich nach ihr aus.

Weil ich im Lauf der Zeit schon mit diversen Pflegehunden dort gewesen war, musste ich Senta erst einmal als MEINS vorstellen. Wir unterhielten uns, Senta ließ sich sogar anlocken, und wir bekamen unser allererstes Kompliment: Sie sagte, Senta sei „ein schönes Tier“. Ich wusste das zwar schon immer, aber dass es einem für sie Fremden auffällt, war noch nie da.

Die zweite mir gut bekannte Verkäuferin erschien, begrüßte Senta (die auch zu ihr ziemlich schnell zum Schnuppern kam) und fand sie „süß“. Sollte es möglich sein, dass mein Hund langsam und gegenüber ausgewählten Menschen ihre Unsichtbarkeit aufgibt?

Ich dachte in diesem Moment, ich könnte nicht stolzer auf sie sein, aber ich hatte mich geirrt.

Adv13_7_5

Im strömenden Regen stieg Senta bei Ankunft der Bahn von selbst ein!
Die Fahrt war auch nicht mehr so aufregend wie die erste, aber vor dem Aussteigen hatte ich ein Deja Vu: Wieder stand ein Passagier mit Fahrrad hinter uns, wieder bat ich um etwas Geduld beim Aussteigen, und wieder wurde ich zunächst ziemlich schräg angeschaut, denn Senta hatte sich kurzerhand unsichtbar gemacht.

Zu Hause gab es dann noch zwei nicht so positive erste Male:
Senta, die sich in der Leine verheddert hatte, stieß gegen ein im Treppenhaus abgestelltes Fahrrad, das stürzte um und landete halb auf dem armen Hund, dem seine Unsichtbarkeit plötzlich nichts mehr nützte: Das Rad hatte sie trotzdem gefunden.

Das letzte „erste Mal“ des Tages war dann doch wieder zum Lachen.

Ich hatte alle Hundedecken und –handtücher eingesammelt und neben der Wohnungstür auf einen Haufen geworfen, um sie noch in den Waschkeller zu bringen, und während ich in der Dusche stand, hatte sich Senta wohl gedacht, dieser riesige, weiche Haufen, der so gut nach ihr riecht, sei ihr neues Bett. Sie lag mitten drin und schlief.

Um diesen Moment festzuhalten, holte ich die Kamera und knipste die schlafende Schönheit, die durch das Geräusch der Kamera aus dem Tiefschlaf erwachte, mich wegen des Handtuchs um die Haare nicht erkannte und mich ganz übel verbellte.

Den ob dieser Peinlichkeit ziemlich verschämten Gesichtsausdruck, als sie ihren Irrtum bemerkte, habe ich leider auf die Schnelle nicht knipsen können, den müsst ihr mir einfach so glauben.

Jetzt geht’s erst einmal ins Bett, und morgen kommt ein nächstes erstes Mal:
Besuch von einer Freundin, die Senta noch nicht kennt.

Adv13_7_4

06.12.2013

08.12.2013


weihnachtstiere

Oder einen Gutschein über einen Tierheimbesuch im neuen Jahr!

Niemals ein Tier verschenken, ohne zuvor gefragt zu haben, ob es erwünscht ist!!
Und niemals ein Tier für jemand anderen aussuchen - Die “Chemie” muss stimmen!

Eltern sollten sich immer bewusst sein, dass SIE die letztendliche Verantwortung für ein Tier haben und nicht das Kind - Egal ob Hund, Katze oder Meerschweinchen und egal, was man vorher sagt!!

© 2003 - 2024 Couch gesucht

  

cg_logo_n_re